Von der Krise zur Alphafrau: Wie Sue sich neu erfand

 

Mit 55 Jahren blickt Sue auf eine turbulente Zeit zurück. Nach einer tiefen Krise hat sie sich neu erfunden und ist heute glücklicher und erfolgreicher denn je. Jetzt auf dem Blog lesen.

 


 

„I used to cry, but now I hold my head up high”

Gloria Gaynor

 

Von Sue Giers

An meinem 55. Geburtstag bin ich tatsächlich wunschlos glücklich. Auch weil mir eine Verwandlung geglückt ist. Ich habe eine Lebenskrise gemeistert. Vor acht Jahren lagen meine Ehe, Familie, Beruf – die Dreifaltigkeit meines konservativen Lebensentwurfs – in Scherben und ich daneben. Intensive Phasen sind seitdem verstrichen. Und jetzt nehme diese hübsche Zahl 55 als Anlass für ein Resümee. Mit der Absicht, anderen Mut zu machen und mich bei allen Unterstützern und Unterstützerinnen zu bedanken.

Damals (es fühlt sich tatsächlich weit weg an) waren meine Schwester und meine Freundinnen 24/7 erreichbar. Geduldig lauschten sie meinen Klageliedern, kochten Suppe, schenkten Rotwein nach und reichten Taschentücher. Für Ratschläge hatte ich zunächst kein Ohr, noch befand ich mich in der Phase des Selbstmitleides. Ich sollte lernen, dass die Linderung eines Vernichtungsschmerzes Geduld erfordert – nicht meine größte Stärke. Doch irgendwann wollte ich heraus aus der Ohnmacht. Dabei führt kein Weg vorbei an der Akzeptanz. Das predigen die Meister, egal aus welcher Schule sie stammen. Mein Mantra wurde: Ja, das ist mir passiert und es ist außerhalb meiner Kontrolle, ich bin „ohne Macht“. Ich darf mir Hilfe holen, das ist keine Schwäche. Zum Glück bin ich von Natur aus wissbegierig. Also probierte ich Psychotherapie, Hypnose, Astrologie, Wahrsagerei und ein Zaubertrank der Schamanen. Mit jeder Methode kam ich meinem Selbst immer ein Stückchen näher. Keine der zum Teil skurrilen Erfahrungen möchte ich heute missen.

Was half noch? Zur Neugier gesellt sich in meinem Quartett der Eigenschaften ein starker Wille, ich bin im Zeichen des Widders geboren. Nach der existenziellen Kränkung als verlassene Ehefrau wollte ich mich unbedingt wieder auf mich selbst verlassen können. Das klingt erst mal lässig dahingesagt, fast nach einer Binse, aber im Austausch mit anderen Frauen habe ich erfahren, wie elementar diese Fähigkeit ist. „Ich kann mich auf mich selbst verlassen“ ist als Inschrift für einen Ring geeignet.

Mein Fernziel war es, für mich und meine Kinder wieder ein gutes Leben zu haben. Da halfen meine Willensstärke und mein Hang zu sportlichem Ehrgeiz. Vermutlich hätten meine Wesensmerkmale in der DDR zu einer Medaillenkarriere gereicht. Wenn man mich ausreichend gelobt und manipuliert hätte. Ich möchte (mir selbst) gefallen, so einfach und gleichzeitig anspruchsvoll ist meine Psychologie. Mein Vater, ein mittelständischer Unternehmer aus Wolfsburg, drillte mich auf dem Skihang im Harz sowie auf Radtouren durch Schottland. Nachdem meine Eltern sich getrennt hatten, ich war sieben, lebte ich bei meiner Mutter. Von Herzen geliebt aber habe ich meine Großmutter mütterlicherseits. Meine „Omimi Felde“ aus Vorsfelde verstand meine kindliche Sehnsucht nach Verlässlichkeit, Geborgenheit und Zugehörigkeit. Und mein etwas frühreifes Faible für Mode, das sich damals in Kollektionen für meine Monchichis ausdrückte. Meine Großmutter hätte mit ihrer Begabung für Handarbeit locker für das Chanel-Atelier von Karl Lagerfeld arbeiten können. Sie fertigte nach meinen Ideen. Sie kochte für mich. Sie roch gut und war immer für mich da. Meine weiche Zuversicht als Trennungskind.

 

„Zu dünn, zu jugendlich, zu sportlich, zu sexy, zu oberflächlich, zu hedonistisch, zu glücklich, zu waghalsig. Ständig werde ich bewertet“

 

Vor meiner Krise hatte ich angenommen, ich hätte als Kind eine Art Impfung gegen Trennungsschmerz erhalten. Das Gegenteil war der Fall. Durch den vergrabenen Kummer musste ich in den vergangenen Jahren noch einmal durch. Dabei habe ich die Beziehung zu meiner Familie strapaziert, jedoch auch vertieft. Meine Schwester Vanessa ist 13 Jahre jünger als ich und sie ist der Mensch, dem ich heute am meisten vertraue. Wir haben gemeinsam SoSUE aufgebaut. Alles begann mit dem Entwurf eines Hoodies in meinem Wohnzimmer. Wir besaßen wenig Kapital, aber tausend Ideen. Und die Unterstützung von Kreativen, die beim Anschub von SoSUE mitgewirkt haben.

Mode und Reisen sind meine großen Passionen und ich kann sagen, ich lebe als Unternehmerin meine Leidenschaften. Deshalb bin ich wunschlos glücklich. Ohne meine Komplizen Vanessa und Knuth hätte ich das vermutlich nicht erreichen können. Aber ich stehe vorne und dieser Platz gefällt mir ausgesprochen gut. Ich bin eine facettenreiche Alpha-Frau. Je nach Tagesform auch das Showgirl. Und glaubt mir für diese Erkenntnis und das, was daraus folgt, gibt es nicht immer Applaus. Insbesondere wenn man wie ich die Sozialen Medien und die eigene Person fürs Marketing nutzt. Zu dünn, zu jugendlich, zu sportlich, zu sexy, zu oberflächlich, zu hedonistisch, zu glücklich, zu waghalsig. Ständig werde ich bewertet. Selbst von meinen Kindern. Du stehst immer im Mittelpunkt, du denkst immer zuerst an dich!, sagen sie. Eigentlich sollte das ein Kompliment sein. Denn ich finde, Mütter denken generell zu wenig an sich selbst und ihr Wohlergehen. Das kann man mir nicht vorwerfen und ich hoffe, meine zwei Töchter und mein Sohn werden irgendwann anerkennen, dass ich mich für die Selbstverwirklichung entschieden habe. Und über mich selbst lachen kann.

Ich passe gut auf mich auf. Ich achte darauf, mit meinem Erfolg niemandem zu schaden. Auch nicht damit, dass ich Handtaschen sammle. Ich hätte auch nichts dagegen, wenn Kerosin besteuert werden würde – ich bin eine Vielfliegerin, es bleibt ein Dilemma. Heute steht unsere Firma SoSUE für mich an erster Stelle. Wir sind in der Produktion auf Nachhaltigkeit ausgerichtet, unsere Entwürfe sollen langlebig sein. Nichts beschäftigt mich mehr, nichts bereitet mir mehr Freude. Mein Partner ist glücklicherweise stark genug, diese Priorität auszuhalten. Meistens jedenfalls. Er ist vor allem ein Familienmensch und ich schätze an ihm, wie viel Toleranz und Aufgeschlossenheit er seinen Söhnen und meinen Kindern vorlebt. Dazu zählt auch die Herausforderung, mit mir unter einem Dach zu leben. Mit einer Frau, die ihn beim Tennis schlägt und auf der Skipiste davonrast. Ein Geschöpf, das sich wehrt, sobald es sich eingeschränkt fühlt, im Denken, im Handeln, in der stetigen Veränderung. Und ja, auch in der Befürchtung, wieder alles zu verlieren. In manchen Nächten wache ich auf und es steht in diesen dunkelsten Stunden wieder alles auf dem Spiel. Ich habe gelernt, dieser Angst das Futter zu verweigern.


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