Juli, der Sommer leert die Stadt. Knuth nutzt die Gelegenheit und macht einen Kurztrip an die Ostsee. So überbrückt er die Zeit, bis er endlich in den Urlaub fahren kann. Und an der Steilküste passiert es: Das Juli-Glitzern überwältigt ihn. Was ihm durch den Kopf ging, hat er anschließend runtergeschrieben. Wer für seinem Urlaub noch etwas Unterhaltung sucht, für den hat Knuth ein paar Kulturtipps parat: Über eine Tante, die sich jeder wünscht, eine chaotische Kreuzfahrt, durchgeknallte Asiaten und passend zu seinem Kurztrip Brahms erste Sinfonie. Jetzt hier bei SoSUE im Magazin.
#MyBlueHeaven
Juli 2023
Im Wind entblättert sich mutig roter Mohn
Mauersegler stürzen sich ins Feld
jagen fette Fliegen
verdorrter Sanddorn hängt übermütig über Klippen
die Zitrone des Nordens ist jetzt Grau
Kinder verteidigen ihre Burgen gegen Wellen
ein Wall aus Muscheln soll ihr Reich schützen
Poseidon kennt kein Mitleid
im nächsten Jahr versuchen sie es wieder
gegen Kindersturheit ist kein Kraut gewachsen
überall glitzert der Juli
Rennboote zerschneiden hektisch die See
die Wunden heilen schnell
nur eine Narbe aus weißem Schaum bleibt
Sommeraufregung in der Luft
macht die Pappeln übermütig
ihre Schatten tanzen für mich
Sonnencremeduft
muss an Dreimeterbretter denken
an Pommes im Gras
klamme Handtücher
zu viert auf dem Rad
wir waren die Sonne
aber voller Mückenstiche
in der Brandung ein Fels
ein richtiger Platz für einen Kormoran
seine Flügel weit gespreizt
segnet er das Meer
lass es fetten Hering regnen
aus den Heckenrosen besserwissert eine Stimme
diese Vögel schmecken nach Tran
wonach denn sonst?
Ching Chang Chong
Wolken gegen Sonne
Hin und Her
im Ohr und im Auge ein großes Rauschen
die Endlosigkeit starrt mich an
kann ich aushalten
wie viele Arten von Blau gibt es?
Auge und Hirn können zehn Millionen Farben erkennen
bis zum Horizont müssen es tausende Blaus sein
vergnügte Yves Klein Versuche im Kopf
es malen wäre sinnlos
fotografieren noch sinnloser
alle halten mit ihren Handys drauf
warum macht ihr euch die Welt immer kleiner?
nun Käpt’n Nemo du wolltest neue Menschen haben
hier sind sie
nicht besser als die alten
ich hätte lieber neue Kontinente
mit neuen Ozeanen und vielen neuen Blaus
Beef
Es sind Kleinigkeiten, die ein Leben ins Chaos stürzen können. Handwerker Danny (Steven Yeun) ein Loser, der nichts auf die Reihe kriegt, wird auf einen Parkplatz von einem weißen SUV blockiert und tickt komplett aus. Es kommt zu einer irren Verfolgungsfahrt. Am Steuer die Unternehmerin Amy Lau (Ali Wong), die alles hat: Erfolg, Geld und eine Familie. Aber auch sie hat viel Druck auf dem Kessel. Und den lässt sie an Danny aus. Die Story spielt in der Asia-Community in L.A.. Wer auf Zen oder Buddhismus hofft, wird enttäuscht. Keiner der beiden gibt nach. Freunde und Familie werden in diesen Strudel aus Angst, Lügen und Gewalt mit reingerissen. Die Serie passt gut in unsere Zeit, wo immer mehr Menschen im Empörungsmodus sind und manchmal übergriffig werden. Wir leben in einem Nervenzusammenbruch. Manchmal reicht es aus, dass wir im Alltag einen Moment nicht vorwärtskommen und schon rasten wir aus. Wohin das führen kann, zeigen uns Danny und Amy.
Das große Buch vom Yoga
Um die Wahrheit zu sagen: Ich bin steifer als ein Brett. Komplett unbeweglich. Ok, ganz so schlimm ist es jetzt nicht, weil ich vor Jahren angefangen habe, meine Muskeln und Knochen zu mobilisieren. Die vielen Blockaden im Rücken, Schultern und Brust wurden weniger und meinem Plattfuß gefällt es anscheinend auch ganz gut. Viele Übungen klaue ich mir aus dem Yoga-Buch meiner Frau, weil mir die ganzen Video-Tutorials auf den Geist gehen. Mal gefällt mir die Musik nicht und mal irritiert mich die Einrichtung, Anna Trökes gehört mit zu den profiliertesten Yogalehrerinnen in Deutschland. Ist Pampasgras immer noch angesagt? Ihre Übungen sind gut beschrieben und der ganze Eso-Kram hält sich in Grenzen. Bei Shivas Tanzhaltung würde ich nicht meine Nähe suchen, aber meinen starren Hüften hat es geholfen.
Das große Buch vom Yoga – Anna Tröckes, 312 Seiten, Gräfe und Unzer
Brahms: Symphony No. 1 in C minor
Angeblich hat Brahms seine erste Sinfonie auf Rügen vollendet. „An den Wissower Klinken ist eine schöne Symphonie hängengeblieben.“ Die Ostsee, das Steilufer, die Buchenwälder und der Sommer haben ihn ermutigt, aus Beethovens Schatten zu treten. Ist ihm gelungen. Er ist einer der großen „Bs“ in der Klassik geworden. Auf YouTube habe ich einen Herbert von Karajan Kanal gefunden, wo er die Sinfonie mit den Berlinern Philharmonikern aufführt. Meine Lieblingsstelle ab Minute 32.54. So norddeutsch und so Hamburg, wenn ich diese Melodie höre, möchte ich am liebsten die Elbe hoch paddeln. Wer danach immer noch keine Lust auf Meer und Strandkorb hat, den kann ich auch nicht helfen.
Brahms: Symphony No. 1 in C minor, Op.68, Karajan 1973 – Verfügbar auf YouTube
Triangle of Sadness
Auf einer Luxusjacht herrscht auf dem Oberdeck spätrömische Dekadenz, der Champagner fließt und die Crew muss dienen und jeden Blödsinn mitmachen. Dazwischen tummeln sich junge Ehefrauen mit alten Männern, die ihre Firmen teuer verkauft haben und schöne Influencer, die als Dekoration für lau mitreisen dürfen. Im Unterdeck dagegen sieht die Welt anders aus, da gibt es kostenlose Motivationssprüche, viel Arbeit und noch mehr Arbeit. Im Sturm sinkt der Kahn. Ein paar Überlebende schaffen es auf eine Insel, wo jetzt das Unterdeck den Ton angibt. Zynisch? Auf jeden Fall und sehr komisch. Eine aktuelle Gesellschaftskritik? Ja, nur das es im echten Leben ein Zwischendeck gibt, das leider viel langweiliger ist. Zwischendecksfilme sind Tatort oder Keinohrhase. Davon ist Triangle of Sadness meilenweit entfernt. Der Film ist First Class. Ein Leuchtturm. Unbedingt bei deinem Streaming-Anbieter ansteuern.
Triangle of Sadness - Verfügbar auf Apple Plus, Amazon Prime und Wow
Besser allein als in schlechter Gesellschaft
»Eine Frau, die nur Männern gefällt, ist billig. Eine Frau, die nur Frauen gefällt, ist langweilig. Eine Frau aber, die beide Geschlechter verzaubern kann, hat Charme.“ Solche Weisheiten gibt die hundertjährige Teta Jele, die am Gardasee lebt, gerne an ihre Nichte weiter. Sie hat die spanische Grippe, das KZ und eine norditalienische Schwiegermutter überlebt und auch Corona kann sie nicht erschrecken. Ganz im Gegensatz zu ihrer Nichte Adriana, die eher nachdenklich ist, zwei Psychiater hat, allein in Berlin lebt und eine Scheidung verdauen muss. Es ist eine wunderbare Geschichte über die Liebe und Verbundenheit zweier Frauen, die unterschiedlicher nicht sein können. Wer solche eigensinnige Verwandte in der Familie hat, muss weder das Leben noch fiese Viren fürchten. Oder wie es die Tante es ausdrückt: „Ein Leben lang mittags Pasta und man überlebt alles!“ Ein Ratschlag, den jeder von uns beherzigen sollte, egal was kommt.
Besser allein als in schlechter Gesellschaft – Adriana Altaras, 240 Seiten, Kiepenheuer & Witsch
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Wenn dich diese Worte erreichen, hoffe ich, dass du im wohlverdienten Urlaub bist oder du nur wenige Tage vor dir hast, bis es endlich losgeht. Ich wünsche dir eine schöne Zeit. Vielen Dank für deine Aufmerksamkeit. Wir sehen uns Ende August wieder. Bis bald.
Knuth ist Gründungsmitglied von SoSUE und unterstützt als PR-Berater noch weitere Marken. Er selbst beschreibt seine Arbeit als „irgendwas mit Medien“. Der Hamburger würde am liebsten auf einen Berg mit Strand ziehen. Mehr über Knuth erfahrt ihr auf seiner Website Collideor and Scope