Ich geb Gas

Wenn mich Jemand fragt, warum ich immer so rase, antworte ich: „Ich kann nicht anders, ich habe Benzin im Blut.“ Ich komme aus Mo-Town Wolfsburg und bin mit Pferdestärken aufgewachsen. Alle in Wolfsburg fuhren VW und meine erste Autoliebe war ein hellgrauer Bulli, der dann in Orange und danach zu einem himmelblauen wechselte. Alle paar Jahre kam ein neues Modell raus und ähnlich, wie heute die i-Phone Typen, wechselten die Wolfsburger ihre jeweiligen VW-Modelle. 

Zum Glück ist das nicht mein Flitzer - ich würde durchdrehen...

Ich bin also autoaffin aufgewachsen, was nicht bedeutet, dass mir Autos besonders wichtig sind. Ich brauche weder Marke noch Status des fahrbaren Untersatzes. Was ich aber brauche, sind PS! Ich genieße es, die A7 oder A9 Richtung Süden zu düsen. Dieses Gefühl, Krempel und Gepäck ins Auto zu schmeißen dazu ein paar gute Stullen und Süßigkeiten und nach dem Ampel-Wald durch die Stadt, endlich die Elbbrücken Richtung Freiheit zu überqueren. Wenn das Schild der Geschwindigkeitsaufhebung auftaucht, gibt es für mich kein Halten mehr. Ich drücke das Gaspedal durch und fahre rasant meinem Vordermann so dicht auf, dass er empört oder erschrocken aus der Spur weicht. Ich bin ein echter Pferdestärken-Prolet, wenn es darum geht, schnell ans Ziel zu kommen und gestehe den Einsatz eines Blinkers, wenn Kennzeichen mit 3-Stelligen Buchstaben nicht schnell genug auf die rechte Spur kommen. Das Schlimme: Mehr noch als in einem kleinen Schwarzen, fühle ich mich auch noch sexy dabei (dabei sollte ich mich eher schämen!). Das kann ich nur dem Geschwindigkeitsrausch zuordnen, bin ich doch sonst eigentlich ganz friedfertig. Beim Autofahren vergesse ich Zeit und Raum und Pippi- und Benzin-Pausen werden aufs Äußerste verschoben. Das ist so auf knappe Hose genäht, dass ich mir neulich auf dem Weg von Berlin nach Hamburg nicht nur fast in die Hose gemacht hätte, sondern Knuth und mich auch schon Trampen sah, weil ich die letzte Tankstelle verpasst hatte und die Kraftstoffanzeige auf Null stand. Nun ja, irgendwie habe ich immer Glück. 

Mit Knuth on Tour ist es am Schönsten!

Nur bei den Punkten nicht – da sammle ich fleißig und anders als bei Budni gibt’s dafür nichts umsonst. Irgendwie übersehe ich immer die Geschwindigkeitsbegrenzungen – das nennt man wohl Tunnelblick. Verstehe auch nicht, warum die plötzlich auftauchen müssen. Genau so wenig, wie die gefühlt hundert Baustellen im Sommer zur besten Ferienzeit: seltsam, aber nie sehe ich Bauarbeiter. Diese einspurigen Geschwindigkeits-Stopper sind also reine Schikane, damit wir in den Nachrichten vertraute Bilder von Staus sehen und lieber die Bahn nehmen. Im Stau traue ich mich kaum aus der Spur. Nicht aus Angst, sondern weil ich meine Position halten will. Muss ich auf Toilette ist das der blanke Horror für mich. Und ich muss oft. Meinen herrlich und hart erkämpften Vorsprung auf der linken Seite der Autobahn muss ich dann immer wieder einbüßen. Meine beste Leistung : Als ich es gar nicht mehr aushalten konnte, habe ich es tatsächlich geschafft in eine Volvic Flasche zu Pinkeln und zwar zielgenau. Nicht sehr damenhaft, aber ich erwähnte ja schon, dass ich auf der Auto-Bahn meine guten Manieren im Kofferraum lasse. Ich fluche auch gern und bewege meine Hände auf und ab, wenn ich verbal – welch Wunder – nicht gehört werde. Dann spiele ich Auto-Scharade. Versteht mich immer noch keiner, überhole ich ganze Schnecken-Schleicher gern auch mal rechts. Fährt mir selbst mal Jemand hinten auf, denke ich immer es ist die zivile Autobahnpolizei, die mich entdeckt und entlarvt hat. Ich komme gar nicht darauf, dass jemand schneller sein könnte als ich (was an Selbstüberschätzung grenzt, da ich Mini und nicht Porsche fahre).

Wenn ich die Autobahn verlasse, muss ich mich an Land- oder Stadtstraßen erst wieder gewöhnen und da lauert schon die nächste Gefahr der Geschwindigkeitsüberschreitung. Ich habe es doch tatsächlich mal fertiggebracht in München 2x in der Stadt geblitzt zu werden. In Hamburg wäre das wahrscheinlich ein Kavaliers-Delikt, aber in Bayern ist das ein bierernstes Vergehen!

Bin ich dann am Ziel angelangt freue ich mich wenn ich mein Zeit-Ziel erreicht habe. Ich brauche diese kleinen Herausforderungen. Mein Auto ist dann erst mal schön voll gemüllt und schnauft mich verächtlich an. Neuerdings trinkt mein Motor Öl wie Wasser und das ruft nach Inspektion. Die Zeit – das Problem sage ich mir und klopfe meinem Mini liebevoll auf die Kühlerhaube.

Mein Traum-Auto: Ein VW-Bulli. Damit quer durch Europa tingeln. Das wär's. Schnell geht mit dem ja eh nicht.


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