Das Glück vom Dauerploppen

Foto: Maren Stein - Kaum hat das Jahr angefangen bringt ein Silvesterklee einen ins Grübeln.

Was so ein übrig gebliebener Silvesterklee so alles im Kopf anrichtet. SoSUE-Redakteur Knuth hat sich ungewollt Gedanken über das Glücklichsein gemacht.

Was sollte ich bloß für SoSUE schreiben? Ich stand schon seit einer Weile vor dem Fenster und betrachtete den Himmel, grübelte und trank Tee dabei. Die erste Januarwoche war vorüber und die Sonne schien ein wenig. Meine Blicke richteten sich auf unsere Fensterbank und ich betrachtete unseren Klee, den ich uns zu Silvester gekauft hatte. Auf dem Blumentopf stand „Viel Glück“. Ganz ohne Ausrufezeichen dachte ich, also keine Aufforderung. Deutsche lieben ja Ausrufezeichen. Mal keinen Befehl. Ich hatte wieder Hoffnung für dieses Land.

Ich überlegte, vielleicht sollte ich über das Glück schreiben, aber ich zögerte, weil es so ein großes Thema ist und ich nicht wirklich die Zeit dafür hatte. Ein Anruf unterbrach meine Gedanken. Ein Freund rief mich an. Wir haben lange miteinander telefoniert, am Ende des Gesprächs fragte er mich, wie es mir denn ginge. Ich antworte ihm, dass ich glücklich bin. So etwas sag ich über mich selten, fast vermessen fand ich meine Antwort. Ich fand das alles seltsam.

Foto: Maren Stein - Schwein gehabt: Die Sache mit dem Glück ist gar nicht so einfach

Weder wurde ich von Kim Kardashian adoptiert noch hatte mich Karl Lagerfeld als Nachfolger bei Chanel vorgeschlagen. Keine Ahnung, warum ich so zufrieden war, vielleicht, weil vieles an diesem Tag stimmte und ich mich über den Anruf freute.

Die Wissenschaft ist da ganz rational. Für sie ist Glücklichsein, ein rein biochemischer Vorgang, der angenehme Empfindungen macht. Jeder kennt das Gefühl der Schokolade gegessen hat oder sich eine neue Jeans gekauft hat. Im Hirn macht es dann „plopp“ und es wird Dopamin in unseren Körper ausgeschüttet. Leider ist das Wohlbefinden, das der „Freudesaft“ in uns bewirkt nur von kurzer Dauer. Wir Menschen machen daher alles dafür, dass es möglichst lange anhält oder versuchen das Glücksgefühl in Form von Fotos oder Videos zu konservieren. Das Dauerglück soll heute überall und ständig sein. Vielleicht ist das auch der Grund, dass Menschen glauben, ein Anspruch auf Dauerglück zu haben. Quasi als Gebrauchsrecht. Keine Schlange mehr an den Kassen, kein verregneter Sommer mehr, überall die passenden Schuhe, unfassbar dankbare Chefs und nur Beifall von allen Seiten. Ein ständiges „Dauerploppen“ sozusagen. Damit diese Orgie des Glücks täglich anhält, hat sich unsere Zivilisation vieles ausgedacht: Amazon, Netflix, iPhones, Black Fridays, Facebook oder den Fidget Spinner.

Bitte nicht missverstehen. Ich gönne den anderen ihr glücklich sein.

Ich bin im Unrecht, dachte ich, denn diese Welt können wir Menschen nur noch mit viel Glücklichsein ertragen. Warum nicht täglich glücklich im Büro sitzen, glücklich Dauerwerbesendungen anschauen oder glücklich das Geschnarche vom Partner ertragen. Selbst die Denker der Aufklärung sahen in der Glückseligkeit nicht als Lohn der Tugend, sondern als Tugend selbst. Auf Instagram scheinen alle diese Tugend zu besitzen, hier sind alle glücklich.

Dann stand ich wieder am Fenster. „Schön ist anders“, sagte ich und dachte weiter nach. Das kleine Holzschwein im Klee schien mich auszulachen. Der griechische Philosoph Epikur soll erkannt haben, dass das Glücklich sein keine leichte Aufgabe ist. Da mag er recht haben. Darüber zu schreiben ist auch nicht leichter.

Ich mochte nicht mehr.

Dann fragte ich mich selbst, „Was war dein glücklichster Tag?“ Das weiß ich ganz genau: Es war der Tag, als ich meine Frau geheiratet habe.

Pures „Dauerploppen“ Nonstop.

Das war viel Glück! Das reicht mir bis in die Zukunft!

 

 


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