Knuths Lost & Found Juli 31

 

Der Juli war viel zu heiß. Hitze ist nichts für Knuth. Er musste auch erst lernen, dass die Sonne ein Risiko ist. Heute führt er ein Schattendasein. Wie das gekommen ist, erfahrt ihr in seinem Monatsrückblick Lost & Found. Plus: Warum Knuth gerne eine Qualle wäre und weshalb alle den Diana-Film „Spencer“ gucken sollten.

 #SomeLikeItHot

Juli 2022 - Mein Vater schien ein jahreszeitenloser Mensch zu sein. Sommer wie Winter hatte er einen Smoking an. Statt einer Fliege mit weißem Hemd trug er darunter einen dicken blauen Wolltroyer. Das Hemd zeigte sich selten im Ausschnitt. Manchmal schaute schüchtern eine Kragenspitze heraus. War das Wetter mild, zog er einen beigen Trench an, wurde es kühler, wechselte er zu einem langen und dunklen Wollmantel.

Er klagte wenig über das Wetter. Nur bei Hitze verlor er seine Fassung. Damals dachte ich, dass ihm ein heißer Sommer als Hongkong-Chinese besonders gut gefallen würde, aber ich irrte mich. Kräftige Hochdruckgebiete waren nicht sein Ding. Er hatte großen Respekt vor der Sonne, weil er wusste, dass sie eine Gefahr sein kann.

Schien die Sonne erbarmungslos, flüchtete er von Schatten zu Schatten. Wie ein Vampir vermied er das Sonnenlicht. War ich mit dabei, achtete er drauf, dass ich das kühle und schützende Dunkel nicht verließ. An solchen warmen Tagen stellte er als Koch auch das Essen für das Restaurantpersonal um. Es gab dann Speisen, die angeblich dabei helfen sollten, dass der Mensch mit der Sommerhitze besser zurechtkam. Von chinesischer Gesundheitsküche war er sehr überzeugt. Ich kann mich an eine bittere Suppe erinnern, die noch auf dem Tisch brodelte, von der er behauptete, sie würde mich im Laufe des Tages runterkühlen. Leider kann ich mich nicht mehr erinnern, ob seine Sommerdiät funktionierte.

Eines Tages kam er mit ein paar Freunden aus dem Freibad zurück. Er war dort aus Neugier. Ich war überrascht, weil ich mir meinen Vater in Badehosen in einem Swimmingpool nicht vorstellen konnte. Auf die Frage, ob es ihm dort gefallen hatte, musste er schmunzeln. Er fand, die Deutschen seien alle zu dick, zu behaart und zu laut. Besonders erschrocken war er darüber, dass sie alle stundenlang in der Sonne rumlagen. "Was für Idioten Kung Shing, wissen die denn nicht, wie riskant das ist?", fragte er mich.

Bis heute habe ich keine Antwort darauf gefunden. Tatsächlich betreiben wir einen fast unheimlichen Sonnenkult. Das ganze Jahr unternehmen wir Pilgerreise nach Italien, Spanien oder Griechenland, nur um dort ausgiebig in der Sonne zu baden. Auf deutsche Instagram-Konten scheint nur die Sonne. Wetter findet dort kaum noch statt. Und sollte es doch mal ein Regenfoto in den Feed schaffen, hagelt es sofort traurige Tränen-Smileys.

Vielleicht ist unser Sonnenhunger vor ein paar Tausend Jahren in den dunklen, feuchten und kalten Eichenwäldern geweckt worden, als den Germanen braun gebrannte Römer über den Weg liefen. Fast alle Leute um mich herum wollen regelmäßig Sonne tanken, als sei ihr Körper ein Motor, der anscheinend nur dann einwandfrei läuft, wenn er ausgiebig unter starken UV-Licht gegrillt wird. Seltsamerweise gilt das Auftanken-Denken nur für ihre Körper. Für eine Energiewende gilt diese Einstellung nicht, hier wird dem Solarstrom jede Power abgesprochen. In diesem Fall sind wir echte Warmduscher.

Natürlich nahm ich die Ermahnung meines Vaters nicht ernst. Meine deutsche Hälfte drängte mich aus den Schatten in die Sonne und so wurde ich dank Tiroler Nussöl, Kanton-Gene und endloser Tage im Freibad richtig schön dunkelbraun. Mein Vater mochte meinen Fidschi-Hautton nicht. Ich sehe aus wie ein Malaie, meinte er abschätzig und schüttelte über meine Nachlässigkeit nur den Kopf. Die Polizei mochte meinen dunklen Teint auch nicht. Ich wurde relativ häufig angehalten und die Beamten fragten mich nach meinem Pass oder meiner Aufenthaltsgenehmigung. Ein sehr brauner und schwarzhaariger Knuth war in ihrer Vorstellung nicht vorgesehen und war verdächtig.

Jetzt Jahrzehnte später führe ich im Sommer ein Schattendasein. Wie mein Vater habe ich einen riesigen Respekt vor der Sonne mit ihren hohen Temperaturen entwickelt. Was Berggipfel zum Schmelzen bringt und Flüsse verschwinden lässt, kann nicht gesund für mich sein. Meine blassbraune Grundierung genügt mir. Von Mai bis August reichen mir freundliche 26 Grad. Meinen Platz an der Sonne vermisse ich nicht. Im Urlaub muss ich nicht mehr länger den Hitzehelden spielen, der verschwitzt Berge erklimmt oder am Strand darauf wartet, bis seine Haut „Well-Done“ ist. Meine Sonnenvernarrtheit ist zum Glück vertrocknet. Und im Gegensatz zu meinem Vater bin ich ein Jahreszeitenmensch, der auch in Zukunft gerne Hitzefrei haben möchte.

 


 

Dragon Women

 

 

Frauen können nur Geld ausgeben. Geld verdienen und vermehren können dagegen nur Männer. Diese Vorurteile bestehen immer noch in vielen Köpfen. Tatsächlich sind Frauen in Spitzenpositionen in der Finanzwelt immer noch sehr selten. Der Dokumentarfilm "Dragon Women" porträtiert fünf erfolgreiche Frauen in einer der wettbewerbsintensivsten Branchen, die es gibt. Es sind sehr intime Porträts. Die Frauen sprechen sehr offen über ihre Situation, wie sie Erfolg, Arbeit, Freizeit, Familie und ihre Weiblichkeit unter einen Hut bringen. Ich selbst hätte keine Probleme damit, wenn meine Frau die Brötchen verdienen würde und erfolgreicher wäre als ich, vielleicht habe ich zu viel „Borgen“ geschaut. Mit viel Respekt und Gefühl gemachte Doku.

Dragon Women: Topmanagerinnen in der Finanzwelt– Verfügbar auf der ARD Mediathek

 


 

Quallen

 

 

Nach diesem Buch möchte ich im nächsten Leben eine Qualle sein und einfach im großen Ozean treiben. Opportunistisch würde ich mich jeder Strömung anschließen ohne das ich ein schlechtes Gewissen haben müsste. Ich würde langsam auf und ab schweben und mich über die eine oder andere fette Krabbe freuen, die in meinen Tentakeln hängen bleibt. Es wäre ein entspanntes Leben. Nie wäre ich allein, denn in meinem Schwabbel gäbe es eine männliche und weibliche Seite. Außerdem würden mich alle Tiere um mein futuristische Design bewundern. Welches Tier kann schon von sich aus behaupten, dass es wie ein Raumschiff aussieht. Quallen sind faszinierende Tiere. Bitte lesen.

Quallen – Ein Porträt, Samuel Hamen, Judith Schalansky, Matthes & Seitz Berlin, 143 Seiten

 


 

Mr. Morale & The Big Steppers

 

 

Kendrick Lamar ist der einzige Rapper, dessen Musik ich auf Kopfhörer hören kann. Für mich ist es dann immer so, als würde ich ein spannendes Theaterstück von einem Hörplatz aus belauschen. Da liest mir jemand aus seinem Leben vor. Geschichten und Menschen treten auf und verschwinden wieder in einem Echo aus elektronischen Beats. Der Pulitzerpreisträger aus Compton L.A gibt sich diesmal als Prophet. Vielleicht trägt er deshalb jetzt immer demütig eine Dornenkrone von Tiffany. Ein bisschen Bling Bling muss sein. Diesmal räumt er laut Begleittext von Apple Music, mit seinen Unzulänglichkeiten auf. Vielleicht eine neue Form von Ego-Achtsamkeits-Rap. Wenn er im „Song Crown“ oder „Die Hard“ predigt, bin ich ganz Ohr. Ich liebe dieses Album sehr. Amen.

Mr. Morale & The Big Steppers – Kendrick Lamar, verfügbar auf Spotify und Apple Music

 


 

Spencer

 

 

Das ist kein gewöhnlicher Film über Prinzessin Diana. Wer jetzt eine Gala-RTL-The-Crown-Downton-Abbey-Glamour-Drama erwartet, sollte bitte gleich meinen nächsten Tipp lesen. Dieser Film ist eine Gruselgeschichte einer Gefangenen, die dunkler ist als jede Shakespeare-Tragödie. Nichts für Sissies. Diana (Kristen Stewart) muss drei Tage im Schloss mit der königlichen Familie verbringen. Gehetzt von der Presse und gequält von Charles ist die Frau am Ende ihrer Kräfte. Als ihr erklärt wird, dass sie ihr Zimmer verdunkeln soll, weil draußen Paparazzis lauern, antwortet sie, dass ihre Objektive wie Mikroskope seien. Sie werde von der Presse seziert wie ein Insekt, die Reporter würden ihr langsam die Flügel ausreißen und Gefallen daran finden. Das ist vielleicht der beste Diana Film, den es gibt, weil er ihre damalige Seelenlage beschreibt und Kristen Stewart ist grandios.

Spencer – verfügbar auf Apple TV, Amazon Prime, Google Play und YouTube

 


 

Das Foto schaut mich an

 

 

„Manchmal schwimmen Fotos, die einen begegnen, direkt aus den Träumen heraus“, schreibt die Ingeborg Bachmann Preisträgerin Katja Petrowskaja. Der Satz beschreibt auch meine Erfahrung, die ich mit Fotos gemacht habe. Nicht die Bildersintflut auf Instagram ist damit gemeint, es sind die Fotos, die dir eine Pause vom Leben geben. Sie kleben in einem Album, schmücken ein Plakat, fallen aus einem Karton, sind in einer Zeitung oder hängen in einer Galerie. Beim Betrachten verfällst du in eine Art Abwesenheit. Petrowskaja hat ihre Gedanken zu Fotos aufgeschrieben, die sie in Trance versetzt haben. Ihre Bildbeschreibungen sind gut geschriebene Schnappschüsse. Ich war mal Fotograf und Fotoredakteur, das Buch wäre mir damals ein gute Hilfe gewesen, um den Augenblick des Lebens besser zu verstehen.

Das Foto schaute mich an - Katja Petrowskaja, Suhrkamp, 256 Seiten

 

***

 

Ich weiß nicht, wo du gerade bist, ob du an einem Strand liegst oder schon wieder arbeiten musst. Aber ich freue mich, dass du dir wieder ein paar Minuten Zeit genommen hast, meinen Text zu lesen. Vielen Dank. Wo immer du auch bist, habe eine schöne Zeit. Bis bald.

 


Knuth ist Gründungsmitglied von SoSUE und unterstützt noch weitere Marken. Er selbst beschreibt seine Arbeit als „irgendwas mit Medien“. Der Hamburger würde am liebsten auf einen Berg mit Strand ziehen. Mehr über Knuth erfahrt ihr auf seiner Website Collideor and Scope.

 

 

 


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