Wie Sinnlichkeit mein Leben veränderte

 

Wie würde unser Leben aussehen, wenn wir frei, sinnlich, mutig und erfüllt unsere Weiblichkeit lebten? Für Sandra von Zabiensky führte der Weg des Tantra zum Leben einer neuen Weiblichkeit: Laut dieser alten indischen, spirituellen Tradition ist alles Energie, der Körper göttlich, radikaler Umbruch und tiefe Erkenntnis sind jederzeit möglich. Bei SoSUE erzählt sie ihre Geschichte.


 

 Die Einladung, Liebe mit dem Leben zu machen

Wie Sinnlichkeit mein Leben veränderte

 

Von Sandra von Zabiensky

Ich hatte nach außen hin alles. Ich fand mich attraktiv. Ich war gerade frisch verheiratet und wir verdienten gemeinsam mehr als genug Geld. Ein spontaner Trip auf die Seychellen? No big deal. Ich kannte die Louis Vuitton Stores von Berlin bis München und ich wählte mit Stolz die Personal Shopping Assistance in Luxus-Boutiquen. Das berühmte Berliner Restaurant Borchardt lieferte mir das legendäre Schnitzel vor einer Filmpremiere sogar in den Friseursalon. Man hätte denken können, ich schwelge in Genuss. Die Wahrheit ist: Trotz all des Glamours befand ich mich in einer dunklen, kleinen Kammer. Die Kammer existierte in meinem Kopf und dort saß mein Gefühl von Ich. Ich war seltsam abgetrennt von meinem Körper und all die angeblichen Genüsse befriedigten nur eins: Mein Ego.

Bei meiner Arbeit habe ich viele Frauen kennengelernt, denen es ähnlich ergangen ist. Kein Wunder: Wenn du über 40 bist, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass du in einem Umfeld aufgewachsen bist, in dem harte Arbeit zählt, der puritanische Leistungsgedanke, Zurückhaltung und Bescheidenheit. Sinnlichkeit, zu schwelgen in Momenten, Essen, in der Natur, Ästhetik oder Sex – das hat etwas zutiefst Beschmutztes und wird uns auch nicht beigebracht. Die wenigsten von uns sind als Kinder aufgefordert worden in die Matschpfütze zu springen, doch mal zu testen, wie sich der Schlamm auf der Haut anfühlt oder bewusst an unsere Sinne herangeführt worden. Buchautorin und Therapeutin Stella Resnick hat dies vor einiger Zeit als »Bestrafungsethos« betitelt; sie schreibt, wir hätten regelrecht Angst vor der Sinnlichkeit. Die eigenen Bedürfnisse zurückzustellen, sich aufzuopfern, hart zu arbeiten – das sind alles Verhaltensweisen, die honoriert wurden und teilweise auch immer noch werden.

Das führt jedoch zu eins: Eine Art Widerstand oder Zurückhaltung gegenüber Sinnlichkeit, Lust, Spiel, Freude und Genuss. Dabei wird Sinnlichkeit und Eros nicht als das wahrgenommen, was sie sind: die Fähigkeit, im Flow zu sein, mit dem was ist, die eigenen Bedürfnisse zu honorieren und spielerisch das Leben in allen Facetten zu genießen. Auch bei mir war das so. Egal, ob ich im Shoppingrausch war, beim Sex oder beim Arbeiten – ich war süchtig nach dem kurzen Kick, einem kurzfristigen Rausch, der meine Kammer im Kopf in einer Sekunde expandierte, bevor ich wieder in die Dissoziation in meinem Körper ging.

Das alles änderte sich, als Tantra in mein Leben kam. Ja, ich weiß, welche Bilder jetzt in den Kopf kommen: heiße Massagespiele, ausgefallene Sextechniken und Grenzen auflösende Lust. Das alles ist wirklich toll, aber tatsächlich Neo-Tantra, eine sexuelle Praxis, die Anfang des 20. Jahrhunderts in den USA entstand. Was mich catchte, war das ganz ursprüngliche Tantra, eine spirituelle Tradition aus Indien, mit überraschend modernen Ansätzen. Im Tantra wird alles inkludiert, der Körper als Ausdruck des Göttlichen gesehen. Damit haben natürlich auch die Sinne eine ganz andere Funktion. Sinnlichkeit ist hier nicht frivoles, abzulehnendes, sondern Türöffner, um die Welt und sich selbst umfassender zu erfahren.

 

Ein Ansatz, der absolut Sinn macht: Pro Sekunde werden in unserem Gehirn etwa 11 Millionen Sinneseindrücke verarbeitet. Schätze einmal, wie viele davon uns bewusst sind? Na? Es sind 40. Mit einer Sinnlichkeitspraxis werden wir zwar nicht die elf Millionen wahrnehmen, aber wir werden aufmerksamer und feiner, mit uns und unserer Umgebung.

Ich begann mit meinen Sinnen zu experimentieren. Anstatt lange Meditations-Sessions, wollte ich alles fühlen, schmecken, riechen, anfassen, ganz genau erkunden und dabei auch von Mustern abweichen. Einfach nur bewusst Schokolade essen? Langweilig. Ich schmierte sie mir erst auf die Lippen, weil ich die Textur fühlen wollte, roch daran, lauschte dem Knacken. Beim Sex wollte ich mich nicht auf Achtsamkeit und Atem fokussieren, weil das auch einfach nicht meine Art ist Sex zu haben, sondern ich versank in das Gefühl des Ausgefülltseins, kappte alle Vorstellungen wie ich zu sein hatte im Bett und ließ mir freien Lauf oder erkundete in Momenten der Menage a moi wie mein Orgasmus verklingt. Zu dieser Zeit fand man mich beim Hundespaziergang im Wald häufig schnüffelnd am Waldboden, mit beiden Händen in der Matsche wühlend oder am Baum leckend. Ich weitete es auf auch meine Gedanken und Emotionen aus: Wie fühlen sie sich im Körper an? Welche Energierichtungen haben sie? Kurz: Ich wollte einfach alles neu erfahren.

Die Sinnlichkeitspraxis schaffte mit der Zeit ein neues Weltbild und Lebensqualität. Die dunkle Kammer im Kopf existierte nicht mehr, ich erlebte zum ersten Mal in meinem Leben tiefe Verbundenheit mit mir, meinem Körper.

Und wie lebe ich heute? Nun, ich würde es definitiv genießen, in Louis Vuitton Stores zu gehen und irgendwann zieht auch die Multi-Pochette bei mir ein. Aber auch wenn derzeit das Geld dafür nicht da ist, fühle ich mich – Achtung, Klischee-Alarm, reich. Die Sinnlichkeit hat mir die Kraft gegeben, mich jenseits von Erwartungen anderer radikal neu zu erfinden. Heute lebe ich in Frankreich, Andorra und Deutschland oder wohin es mich zieht. Besser gesagt uns: Ich habe letztes Jahr nicht nur meine große Liebe kennengelernt, sondern kurzerhand auch alles verkauft, was ich besitze, und bin mit Elmo, meinem steinalten Chihuahua-Opa, zu meinem Freund gezogen, den ich erst ein paar Wochen kannte.

Ist das Leben also einfacher mit Sinnlichkeit und Tantra? Nicht unbedingt. Aber es wird bunter, lebendiger, wilder und freier. Du lernst, dich dem Augenblick hinzugeben und dem Leben zu erlauben, jetzt in diesem Moment Liebe mit dir zu machen. Und das ist vielleicht das kostbarste Geschenk: wir haben doch nur den Augenblick. Also lass ihn uns leben und trinken, wie den delikatesten Champagner der Welt. Denn, Cherie, wer weiß schon was das Morgen bringt.

 


 

 

Sandra von Zabiensky lebt, was sie schreibt. Sie besitzt nur noch, was in ihr Auto passt (zugegebenermaßen ein geräumiger Geländewagen), hat sich mit Mitte 40 neu erfunden und wohnt mit ihrem Partner und Hund Elmo momentan an der südfranzösischen Atlantikküste. Sie lebt grundsätzlich nach dem Prinzip „Mut vor Komfort“, glaubt an die Kraft von Pleasure und hat durch Tantra in ein freies, in sich selbst gegründetes Sein gefunden. In Workshops, Coachings, Kursen und Ausbildungen teilt sie ihr Wissen und ihren Weg. Darüber hinaus ist auch international unterrichtende Yogalehrerin, Teil des Lehrer:innen-Teams der Plattform YogaEasy, schreibt mit Leidenschaft, zum Beispiel für das bekannteste Yoga-Online-Magazin FuckLuckyGoHappy, die Zeitschrift Yoga Aktuell oder auch auf Ihrem Instagram Kanal. In ihrer Freizeit liebt sie Baguette-Schwertkämpfe in der Küche, Old School HipHop, immer und immer wieder das Meer sowie Nachos mit Käse. Wer mehr von Sandra erfahren möchte, sollte ihr Buch lesen: Tantra - Der Weg des mutigen Herzens - Die sinnlich-transformierende Praxis für eine neue Weiblichkeit

 

 

 

 


Tags: Yoga, Tantra

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