Kunst-Sommerglück an besonderen Orten

Immer noch Fernweh? Wie wäre es mit spätsommerlichen Auszeiten an Orten voller inspirierender Kunst. Diese Kunst-Destinationen liegen so gar nicht in weiter Ferne. Sind je nach Heimatort bequem als Tages-Ausflug erreichbar. Einfach ein herrliches Picknick vorbereiten, Badezeug für Eventualitäten einpacken und los geht‘s! Denn es gibt sie, diese traumhaften Orte mit Kunst, etwas versteckt und doch ganz nah – quer durchs Land verteilt. 

In idyllischen Schlössern in herrlichen Gärten, versteckt gelegenen Heimatmuseen oder geschichtsträchtigen Industriegebäuden mitten in der Stadt gibt es spannende Kunst. Hier die Highlights für zauberhafte Kunst-Auszeiten.  

Schloss Derneburg – Hall Art Foundation

Was für ein Ort: Das Schloss aus dem Jahr 1130 war über viele Jahrhunderte ein Kloster bei Hildesheim. Malerstar Georg Baselitz hat hier seit 1974 gelebt und gearbeitet. Inzwischen ist das Anwesen ein Museum, in dem sich das who-is-who der zeitgenössischen Kunst versammelt. 2006 haben die amerikanischen Kunstsammler Andrew und Christine Hall das Schloss samt einer großen Kunst-Sammlung von Baselitz erworben. Immer neue Wechselausstellungen, eine unglaubliche Sammlung und der Skulpturengarten mit Blick ins umliegende, sanft hügelige Land sind definitiv die Reise wert. In einer Scheune beeindrucken mich zunächst die riesigen, bunten Flower Paintings des spanischen Künstlers Jorge Galindo. Einige dieser energetischen Collagen und Malereien sind in Zusammenarbeit mit dem Regisseur und Oscar-Preisträger Pedro Almodovar entstanden.

Passion heißt eine andere Schau. Es geht um Ikonographie in der aktuellen Kunst. Sowieso dreht sich ein erstaunlicher Teil der Hall-Sammlung um das Thema Religion. Schlossherr Andrew Hall hat diese Ausstellung gekonnt kuratiert. In den ehemaligen Klosterzellen begegnen mir Kästen von Joseph Beuys oder Arbeiten von Damien Hirst. Sehr bunte Bilder von Georg Baselitz treten in den Dialog mit Martin Kippenbergers provokanten, weil gekreuzigten, Frosch. In einem abgedunkelten Kabinett leuchten mir verheißungsvoll die Werke des britischen Künstlerpaars Gilbert & George entgegen. 

Endlich kann ich mal tiefer in das archaische Werk des österreichischen Aktionskünstlers Hermann Nitsch eintauchen. Er lässt gerade bei den Bayreuther Festspielen während der Walküre-Aufführung auf der Bühne Schüttbilder fabrizieren. Die Halls haben ein beachtliches Konvolut seiner Arbeiten zusammengetragen. Spannend, wenn auch nicht ganz frei von Ekel, da er in seinem Orgien Mysterien Theater alle Sinne mit Fleisch, Blut und Eingeweiden konfrontiert. Weiter zu den großformatigen schwarz-weißen Fotografien von Sante D’Orazio.Seine Priesterbilder bringen mich zum Schmunzeln, wie Nachdenken: Kunst ist zur Ikone der Moderne geworden, Künstler werden wie Geistliche verehrt. Genauso setzt D‘Oratio Mega-Künstler wie Jeff Koons oder Damien Hirst in Szene. Großartig!

INFO

Hall Art Foundation, Schloss Derneburg Museum, Schloßstraße 1, 31188 Holle 

geöffnet Freitag bis Sonntag 11 bis 18 Uhr 

 

Schloß Kummerow - Fotosammlung

Idylle pur. Inmitten einer Monet-artigen Wildblumenwiese und direkt am gleichnamigen See, liegt das Schloss Kummerow. Das barocke Gebäude von 1730 beherbergt in Mecklenburg-Vorpommern eine der schönsten Fotosammlungen Deutschlands. Der Berliner Immobilienmakler Torsten Kunert hat große Namen wie Wolfgang Tillmanns, Marina Abramovic oder Candida Höfer gesammelt und seit 2016 zeigt er sie hier. Dazu gibt es interessante Sonderausstellungen, in diesem Jahr mit dem Titel Trautes Heim, Allein. Es geht um den Rückzug ins Private, der sich vor allem in politisch unruhigen Zeiten, wie dem Kalten Krieg, zeigt. Das Versprechen von Glück im home sweet home, kann auch nur vorgespielt sein, denn die Kehrseite ist Abschottung ebenso wie Gleichschaltung. Diese eindringlichen Fotografien zeigen das Eigenheim in anderem Licht.

Wie passend. Denn der Bau selber strotzt bis unters Dach vor Geschichte. Behutsam renoviert begegnen mir überall diese Spuren. Spannend und vielfältig die Nutzung zu DDR-Zeiten: von der Bürgermeisterei über Hort und Kindergarten bis hin zu Konsum und Post. Im Spiegelsaal finden sich noch Hammer, Sichel, Ährenkranz an den Wänden dazwischen immer großartige zeitgenössische Fotografien und frische Sträuße mit Wildblumen. Was für ein toller Ort, der historische Architektur mit moderner Fotografie zu einem unvergessenen Erlebnis macht. 

INFO

Schloss Kummerow, Am Schloss 10, 17139 Kummerow 

geöffnet Mittwoch bis Sonntag 11 bis 17 Uhr (ab Oktober ändern sich die Öffnungszeiten, bitte auf der Webseite checken)

 

Schloss Moyland – Beuys bleibt Beuys

Er wäre in diesem Jahr 100 Jahre als geworden. Joseph Beuys hatte am 12. Mai Geburtstag , das Jubiläum wird aber das ganze Jahr hindurch gefeiert. Überall in Deutschland gibt es unter dem Label Beuys 2021 Ausstellungen zu sehen. Jeder kann also einmal mehr versuchen sich dem Universalkünstler und seinem komplexen Werk zu nähern. Die Spurensuche führt mich endlich zum Schloss Moyland, dieser wunderbare Ort ist d i e  Pilgerstätte für Beuys-Fans. Warum? Das Schloss beherbergt das riesige Beuys Archiv. Dazu einen sehenswerten Skulpturenpark und bis zum 19. September ist die Sonderausstellung Joseph Beuys und die Schamanen zu sehen. 

Ganz nebenbei lerne ich dieses herrliche neugotische Wasserschloss und seine Geschichte kennen. Und wie kam Beuys nun an diesen historischen Ort? Die Brüder Hans und Franz Joseph van der Grinten hatten das Anwesen bei Kleve erworben, auch um dort die eigene Sammlung zu präsentieren. Diese ist mit 6000 Kunstwerken eine der bedeutendsten Beuys-Sammlungen. Beide van der Grintens waren enge Freunde von Joseph Beuys und später die Treuhänder seines Archivs, das 100 000 Archivalien umfasst. Ein magischer Ort durch und durch.

INFO

Schloss Moyland, Am Schloß 4, 47551 Bedburg-Hau

geöffnet Freitag bis Sonntag 12 - 17 Uhr

Mehr zu Beuys 2021 hier 

 

Schloß Lieberose – Rohkunstbau

Wie fragil unsere Welt ist, hat uns nicht nur Covid-19 verdeutlicht. Das verheerende Hochwasser schlug in vielen Teilen Deutschlands eine Schneise der Verwüstung. Während im Süden Europas die Wälder brennen und ein Hitzerekord den anderen schlägt. Um den Wankelmut der Natur, den wir nicht vorhersehen können, Katastrophen, wie eben auch die Pandemie, dreht sich die Kunst auf Schloss Lieberose. Das klingt nach einer sperrigen Schau? Nein, die gezeigte Kunst ist zumeist wunderbar poetisch. Zum 26. Mal wird Rohkunstbau jetzt veranstaltet und will Großstädter wie mich aus dem nahen Berlin für Bilder, Fotografien, Installationen und Skulpturen in das verlassene Barockschloss nach Brandenburg locken.

In der Schlossküche, der kleinen Kapelle und allerlei anderen Räumen versammeln sich 22 international bekannte Künstler. Sie haben sie sich Gedanken zum ThemaIch bin Natur. Von der Verletzlichkeit. Überleben in der Risikogesellschaft. Der Rundgang durch das verwunschene, fast zu marode Gemäuer endet in einem hohen, ballsaalartigen Raum mit dem Wish Tree von Yoko Ono. Alles endet mit Hoffnung, jeder kann hier einen Wunsch aufschreiben und das Kärtchen an einem der Bäumchen befestigen. Alle Wünsche werden mit Ende der Ausstellung am 3. Oktober an die Künstlerin geschickt und nach Reykjavik in den Imagine Peace Tower gebracht. Die Installation dort erinnert seit 2007 an ihren verstorbenen Mann John Lennon. Bisher haben über eine Million Menschen ihre Ansinnen geteilt. Wie schön, ein Teil dieser Community zu sein. Das Picknick im angrenzenden Park und anschließendem Schwimmen in einem der nahen Seen im Spreewald macht für mich das Sommerglück perfekt. 

INFO

Schloss Lieberose, Schlosshof 3, 15868 Lieberose/Spreewald

geöffnet Samstag & Sonntag 12 - 18 Uhr 

 

G2 Kunsthalle Leipzig – Norbert Bisky

Keine Lust auf Schlössertour? Zu viel Romantik? Es geht auch anders. Zum Beispiel in Leipzig: Am Innenstadtring gibt es einen faszinierenden Kunstort – jenseits der bekannten Museumsmeile. Die G2 Kunsthalle ist 1986 als eines der letzten VVB-Datenverarbeitungszentren der DDR gebaut worden. Es wirkt wie aus der Zeit gefallen. Erinnert an die Steuerung der sozialistischen Planwirtschaft mit modernen Mitteln. Der Sammler Steffen Hildebrand hat sich diesem Bau angenommen, ihn modernisiert und zeigt nun in einer Etage zeitgenössische Malerei. „Kunst ist dazu da, gesehen werden,“ sagt der Leipziger. 

Seine Sammlung ist ebenso beeindruckend wie das Gebäude und die Ausblicke auf die Stadt. Momentan ist noch bis zum 29. September Norbert Bisky mit seiner Ausstellung Disinfotainment zu sehen. Der Maler und Meisterschüler von Georg Baselitz zeigt frühere Arbeiten, aber auch neue Werke, in denen er sich mit den veränderten Kommunikationsbedingungen in Zeiten der Pandemie auseinandersetzt. Er beleuchtet den Umgang mit Daten und Informationen in unserer durch digitalisierten Welt. Zu den knalligen Bildern hat Bisky Computerreste aus dem ehemaligen Datenverarbeitungszentrum installiert. Die lassen mich doppelt schaudern. Anschauen lohnt sehr.

INFO

G2 Kunsthalle, Dittrichring 13, 04109 Leipzig

geöffnet Mittwoch 15 – 20 Uhr und Samstag 12 – 17 Uhr, öffentliche Rundgänge Montag um 11 Uhr, Donnerstag, Freitag und Sonntag um 15 Uhr 

 

Museum Starnberger See - überirdisch gut 

Wie, ein Museum mitten in Starnberg? Ja! Schon seit 1914 ist das historische Lochmannhaus ein Ort für die Kunst. Eröffnet von König Ludwig III. von Bayern. Das 400 Jahre alte Bauern- und Fischerhaus war ursprünglich das Sommerhaus eine Münchner Patrizierfamilie. Die residierte im Obergeschoß während unten ein Pächter ganz bescheiden von Landwirtschaft und Fischerei lebte. Mitten in einem idyllischen Garten ist das etwas versteckt liegende Museum ein wahres Kleinod. 2008 wurde das historische Gebäude mit einem modernen Anbau verbunden. In diesem Ambiente kann ich mich derzeit Im Schein der Sterne. Geschichten vom Nachthimmel von moderner Kunst bezaubern lassen.

Die Betrachtungen des Nachthimmels in der Vergangenheit wie der Gegenwart sind bezaubernd. Im ganzen Museum strahlen Malerei, Skulpturen, Videokunst um die Wette, vereinen kunsthistorische und naturwissenschaftliche Aspekte. Da trifft Starnbergs Heilige von Ignaz Günther auf eine Licht-Sound-Installation der Berliner Lichtkünstlerin Susanne Rottenbacher. In der verdammt niedrigen, gotischen Stube stehe ich einer Kosmos gleichen Skulptur von Björn Dahlem gegenüber. Völlig ohne technische Beleuchtungshilfen kommt hingegen der Sternenhimmelgang von Johannes Wohneifer aus. All das ist entrückt schön. Der See für ein ganz irdisches Bad danach ist sehr, sehr nah.

 

INFO

Museum Starnberger See, Possenhofener Str. 5, 82319 Starnberg

geöffnet Dienstag bis Sonntag 10 – 17 Uhr 


 

Über die Autorin: 

Juliane Rohr ist Journalistin, lebt und arbeitet in Berlin. Kunst ist immer schon ihre große Liebe, neben ihrem Mann und den beiden Söhnen, die inzwischen im Studium sind. Mit Leidenschaft gibt sie bei uns Kunst-Tipps. Interessante Menschen in der Kunst porträtiert sie für n-tv.de. Im Blog kochen, kunst und ketchup bespricht sie monatlich Ausstellungen und noch mehr gibt es sehr regelmäßig in ihrem Instagram-Account jr.artynotes. 

 

 

 


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