Berlin, I love you!

In love with Berlin - Foto: Julia Malik (an der Lampe)

Ich liebe Berlin.

Und es geht mir auf die Nerven. Klar. Unperfekt, dreckig, unpünktlich, unhöflich, selbstverliebt, laberlaber, halbfinanzierte Projekte, wirklich anstrengend in seiner Provinzialität und dabei viel zu groß, alle Bereiche des Verkehres unzumutbar, wichtige Entscheidungen werden zu spät oder gar nicht getroffen. Die Liste ist ja so lang wie die Potsdamer Straße im Stau. Ich bin es leid, meine geliebte Stadt immer wieder zu verteidigen. Weil Ihr habt ja recht, alle! Und ich mag an diesen Punkten nicht herumfeilschen, das stimmt ja alles. Und da freue ich mich dann in anderen Städten manchmal schon auch sehr über Sauberkeit und flutschendes Funktionieren.  So eine frischgebügelte Stadt. Aber Berlins Wesen ist komplett anders. Ich habe das schon als kleines Kind so empfunden, spielend auf den Charlottenburger Straßen, na gut, auf den breiten Gehwegen zwischen den Steinhaufen der Baustellen,  und genau dieses Wesen hat sich jetzt in der ganzen Stadt breitgemacht. Also endlich in der ganzen freien neuen Stadt.

Die ist ja noch nicht so alt, in dieser offenen Form erst 27 Jahre. (Und für mich ist Berlin absolut weiblich. Oder sind alle Städte weiblich? Haben Städte überhaupt ein Geschlecht? Oder liegt es am Mutter-Erde-Gefühl?)  Berlin ist 27, weiblich, assoziativ gelockert und hat viel zu erzählen. Also äußerst attraktiv. Vor allem für junge gemischt geschlechtliche Partytouristen und ältere männliche Partytouristen. (Männer scheinen ja manchmal mit erfolgreicher Karriere nach Trennungen eine exzessive Ausgehsucht zu kriegen, während Frauen in dieser Zeit einfach viel mehr Yoga machen und arbeiten und die Kinder großziehen oder sich bearbeiten.)

 

Die Neue Nationalgalerie-Foto: Julia Malik

Ich wohne jetzt im Osten.

Ich empfinde das seltene gleichzeitige Vorhandensein der zwei gelebten Systeme an diesem Ort als unglaubliches Geschenk. Vielleicht zieht genau das die Leute an, die sich entfalten wollen oder diese Stadt schenkt ihnen die Chuzpe,  sich auszuprobieren, nein, sogar mehr, das, was in ihnen steckt, zu entdecken.  Und dabei nicht in erster Linie kommerziell zu denken. Das klingt zwar nach einem NewAge-Strand, ist aber unaufgeregt und teilweise sehr praktisch. In London und New York und Hamburg, überall gibt es morgens um halb acht schon die gut angezogenen Checker, die viel vorhaben und das auch alles schaffen. In Berlin gibt es die auch. Aber auch ein ganz großes Anderssein, Andersleben, und viel Freude daran.  Eine große Suche nach dem, was das Leben ausmacht und sein könnte. Vielleicht ein bisschen Utopia! Das führt dazu, dass in dieser Stadt manchmal Wunderbares passiert: Es!

Foto by Sven Henninges

Das Klischee des sich Treibenlassens ist hier zu Hause, beispielsweise das Haus morgens nur zu verlassen, um Kaffee und Croissants zu holen und dann spätabends zurückkommen, immer noch nicht eingekauft, aber sehr erfüllt von neuen Begegnungen und Entdeckungen. Das ist Luxus in Berlin. (Obwohl man inzwischen auch in jeder Ecke fantastisch essen kann und hier für Mode, Blumen, Parfums, Unterhosen, Kunst, Klaviere, Papier, Messer,  Tapeten und Pralinen sehr viel echtes Geld auszugeben vermag, ja ja!)

Die Größe oder Weite Berlins zusammen mit ihrer (sie ist ja weiblich) Unordnung bringt Kunst hervor und Experimente, geplante oder ungeplante und vor allem herrliche Unterschiedlichkeit.

Mit meiner Band Hand Up Excitement <3

Und es kommt nach dem herrlichen Berliner Sommer, mit jeder Menge 70er Jahre Sonnenbrillen und vielen Verpeilten, aber friedlich Tanzenden, nach endlosem Gebade quer durch die Berliner Seen, der goldene Herbst, in dem man überall spazieren geht, unbedingt auch in Potsdam in der Sonne am Neuen See um dann bei Charlotte bei Flammkuchen einzukehren, und dann kommt der gnadenlose russische Winter, wo es so kalt ist und man irgendwann nur noch sehr Wodka trinken mag und die große Verbundenheit spürt mit allen, die hier schon gelebt haben und auch in den 20ern Theater gespielt haben und gefroren haben und Eis gelaufen sind und Wodka getrunken haben. Das ist ein Teil der Berliner Schönheit, die auch ein bisschen peinlich ist, da es vielleicht auch so ein Touristenblick ist, aber ich genieße es sehr, wenn ich im Winter nachts beim Berliner Ensemble auf der Brücke der Friedrichstrasse stehe und die Schwäne sehe, deren Urgroßeltern schon vor Bertold Brechts Blickenherumgeschwommen sind, oder ich muss an Else Lasker-Schüler denken, die bestimmt auch gefroren hat, wenn sie nachts nach Hause ging, glücklich oder unglücklich verliebt war und den sternklaren Himmel sah. 

Und das ist jetzt eventuell noch peinlicher: Die Weite Berlins reißt mir auch jedes Mal das Herz auf. Irgendwie scheint mir der Himmel hier viel weiter und schöner als in den meisten anderen Städten, auch viel präsenter. Liegt das an diesen breiten Gehwegen und Straßen, die ja rein rechnerisch auch mehr Platz zwischen den Häusern lassen, oder dem Dreck der Straße, der einen immer wieder den Blick in den Himmel heben lässt? Und da nicht mehr wegkommt, da dieser berühmte Himmel über Berlin eben so schön ist? Weil er so weit im Norden und Osten liegt, wo die Luft trocken ist und das schöne Nordlicht kommt?

Friedrich-Ludwig-Jahn Sportpark. Foto: Julia Malik

Ich freue mich immer wieder in Berlin. In der sowjetischen Karl-Marx-Allee und der herrlichen Karl-Marx -Straße und dann ab ins Wesereck, aber das ist eine andere Geschichte beziehungsweise Geschichten, plural! und wird ein andermal erzählt!

Und ich bin mir sicher, Berlin wird in den kommenden Jahren noch chaotischer werden, noch überraschender und sicher mit noch viel mehr ständig zuziehenden aufregenden wundervollen Unterschiedlichen.

Ich freue mich weiterhin auf die sich verändernden Straßen und Häuser, auf neue Bars, Ausstellungen und Konzerte und, wie Jim Morrison sang, auf brandnew friends!

 

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Good times !! Foto by Sven Henninges Berlin Beauty-Foto: Julia Malik Berlin Seesucht- Foto: Julia Malik Foto by Sven Henninges. Über den Dächern von Berlin. Foto: Julia Malik  Foto: Julia Malik Soho House - Foto: Julia Malik


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