August ist Festspielzeit. Sommer heißt nach Salzburg reisen. Tagsüber an einem der nahen Gewässer, wie dem Fuschlsee, entspannen und abends aufgebrutzelt und -gebretzelt in die Oper, ein Konzert oder ins Theater. Sehen und gesehen werden at ist best. Ok, genug Klischee! Dennoch, auch in diesem August, zur 100. Ausgabe der Salzburger Festspiele, wird die ganze Stadt zur Spielfläche und überall erklingt Musik.
Natürlich unter strengster Einhaltung der Hygiene-Vorschriften: Auf der Bühne immer mit Abstand, das gilt auch für das Publikum, daher ohne Pausen oder Büffets und mit Maske. Statt an 17 in nur acht Spielstätten, von 230 000 sind nur 80 000 Tickets im Verkauf gelandet. Davon sind sogar noch welche zu haben, da das internationale Publikum in diesem Jahr wegbleibt. Die Atmosphäre hier und jetzt ist einmalig und selbst ohne Festspiel-Karten in der Tasche bezaubert die Mozartstadt. Unvergleichlich sich im August in der Kunst treiben zu lassen. Hier die Highlights für den Salzburger Kunst-Sommer.
Galerie Thaddaeus Ropac – Anselm Kiefer
Direkt am Schlossgarten Mirabell in der klassizistischen Villa Kast liegt die Galerie Ropac. Auf zwei Stockwerken ist seit über dreißig Jahren hochkarätige, zeitgenössische Kunst zu sehen. Im Moment Anselm Kiefer mit seiner neuen Bilderserie Für Walther von der Vogelweide. Bei Spaziergängen über spätsommerliche Felder in Südfrankreich ist dem Künstler die Idee zu diesen monumentalen Arbeiten gekommen. Abgeknickte Strohhalme, verdorrte Disteln, die Schönheit und Vergänglichkeit des Lebens so nah beieinander, haben ihn fasziniert und an Liebesgedichte aus dem Mittelalter erinnert. Für die Werke verwendete der 75jährige Künstler getrocknete Pflanzen, hauchdünnes Blattgold und hat Acryl-Farben extra dick aufgetragen, was den Sog der Bilder erhöht.
Thaddaeus Ropac ist sicher einer der schillerndsten Galeristen der Stadt. Werke von Künstlern wie Andy Warhol, Joseph Beuys oder Georg Baselitz hat er ebenso selbstverständlich in seinem Portfolio wie den Österreicher Erwin Wurm oder eben Anselm Kiefer. Vernissagen in der Galerie zum Auftakt der Festspiele sind stets ein glamouröser Aufmarsch aus der who-is-who-Liste der ganzen Welt. Aber auch ohne diesen Starauflauf lohnt der Besuch sehr. Eigentlich ist er sogar schöner. Denn allein mit der Kunst kann ich mich in Ruhe in den riesigen Bildern von Anselm Kiefer verlieren und dieses spätsommerliche Südfrankreich-Gefühl stellt sich mitten in Salzburg ein.
2. Noch mehr Galerien
Am Residenzplatz 1 unbedingt in der Galerie Mario Mauroner reinschauen und neueste, leichte, abstrakte Skulpturen von Knopp Ferro bestaunen. Die Galerie Nikolaus Ruzicska zeigt leuchtende Arbeiten der österreichischen Lichtkünstlerin Brigitte Kowanz. Neues gibt es auch bei Galerie Sophia Vonier. Direkt am großen Festspielhaus gelegen, zeigt die Galeristin seit einem Jahr spannende, junge Positionen.
3. Galerien-Hopping zweiter Teil
Ein paar Auto-Minuten entfernt, mitten in einem kleinen Industriegebiet, liegt die sehenswerte Elektrohalle Rhomberg. Dort wird derzeit der Fotograf Andreas Mühe gezeigt. Die Ausstellung Ich kenn Dich auch vom Ansehen nicht, ein Zitat aus Jedermann, wird auch zur Hommage an seinen Vater, den Schauspieler Ulrich Mühe. Der hat gemeinsam mit seiner dritten Frau, Susanne Lothar, in Salzburgs berühmtesten Stück, dem Jedermann gespielt, als Andreas Mühe – noch ein kleiner Bub – im Publikum saß. Im Mittelpunkt der Industriehalle stehen zwei Bilder aus der Serie Mischpoche, die im vergangenen Jahr in Berlin im Hamburger Bahnhof ausgestellt war. Auf den Fotos hat Andreas Mühe lebende und bereits gestorbene Familienmitglieder, wie eben den Vater und seine Stiefmutter, wieder zusammengebracht. Die Verstorbenen wurden als Puppen geformt. Verblüffend, dass der Betrachter kaum unterscheiden kann, wer real ist, wer nur eine Figur. Imposante Familienbilder, die einen nie dagewesenen Moment einfrieren. Das fotografische Spiel mit Leben und Tod, Vergangenheit und Realität wird in der Festspielstadt neu und ganz besonders aufgeladen.
Fußläufig entfernt liegt hier auch die Halle Ropac. Dort gibt es zur Zeit wunderbar, amorphe Skulpturen von Tony Cragg zu sehen (und zu kaufen). Geometrische Formen wie Kreise stapelt er zu Skulpturen aus poliertem Holz, Edelstahl, Stein, Fieberglas oder Bronze, die in Bewegung zu sein scheinen. Der britische Künstler lebt und arbeitet in Wuppertal und ist einer der Superstars unter den Bildhauern. Nicht verpassen!
4. Museum der Moderne
Einen prächtigen Blick über die Stadt habe ich vom Mönchsberg aus. Pflichtprogramm für jeden Salzburg-Besucher. Entweder bequem mit dem Aufzug rauffahren oder über kleine Pfade hinauflaufen immer mit Blick auf die Residenzstadt, die Dächer, den Fluss oder die nahen Berge. Im Museum gibt es das vom italienischen Architekt und Designer Matteo Thun eingerichtete Restaurant M 32 mit unzähligen Hirschgeweihen, viel Beton und Glas sowie einer großzügigen Terrasse. Mich interessiert aber vor allem die Kunst im Museum der Moderne. Hier sind auf drei Ebenen immer lohnenswerte Ausstellungen zu Gast. Träumen in schwierigen Zeiten zeigt das Werk des Malers Wilhelm Thöny (1888-1949): Idyllische Landschaften, aufregende Stadtansichten - mal humorvoll, mal die bedrückende politische Lage in den 30er Jahren spiegelnd. Wer lieber Fotografie anschaut, der kann sich die Arbeiten von Friedl Kubelka vom Gröller auseinandersetzen. Mit der Schau Ich im Spiegel des Anderen werden Fotografien, aber auch Filme der 1946 geborenen Österreicherin gezeigt.
5. Die doppelte Sammlung Würth
Open-Air Kunst ist in Zeiten wie diesen d e r Tipp der Stunde. Und in Salzburg wird nicht nur der Jedermann im Freien geboten. Schraubenfabrikant Reinhold Würth hat schon vor Jahrzehnten den Kunstweg Walk of Modern Art initiiert und ihn 2013 der Stadt als Dauerleihgabe überlassen. Entlang der Salzach, auf den Plätzen der Stadt, sogar in Kirchen und oben am Mönchsberg gibt es einfach schöne Skulpturen zu entdecken. Da stehen zum Beispiel plötzlich sehr hohe Stahl-Stühle von Marina Abramovic am Ufer der Salzach und sollen mir so etwas vom Spirit of Mozart erzählen.
Klein und etwas verloren hingegen wirkt das Männchen Sphaera auf seiner riesigen goldenen Kugel von Bildhauer Stephan Balkenhol auf dem Kapitelplatz mit Blick auf die Burg. Eine gern fotografierte, sehr lässige Skulptur, die durchaus an eine überdimensionierte Mozartkugel erinnert. Oben am Mönchsberg, etwas versteckt in einem Turm ist ein Skyspace von James Turrell. Es ist berauschend in dem kleinen, unscheinbaren Gemäuer den Blick in den Himmel zu richten und im natürlichen Licht zu versinken. Die Außenwelt und wiederkehrende Gedanken an die Pandemie für ein paar Minuten auszublenden. Noch mehr Kunst aus der Sammlung Würth ist im Garten von Schloss Arenberg zu besichtigen. Sicher sind die dort versammelten Skultpuren auch beeindruckend. Der Besuch steht in diesem Sommer definitiv noch auf meiner to-do-Liste.
6. Jedermann - auch im Corona-Jahr
Seit 100 Jahren stirbt der kaltherzige Millionär Jedermann in dem populären Theaterstück auf dem Domplatz. Immer prominent besetzt: Tobias Moretti spielt ihn zum 100. Jubiläum, Caroline Peters ist seine Buhlschaft. Der Schauspielerin gelingt mit ihrer Liebschaft ein lasziver, sexy Auftritt der Freude. Sie schmeißt das Fest der Feste samt glitzernder Torte und Marilyn Monroe Geburtstagsständchen. Es bleibt die Frage, was interessiert uns mehr: Geld oder Leben? Der fette Geldsack allein bringt es eben doch nicht.
Für Hugo von Hofmannsthals Moralpredigt und seinem Spiel vom Sterben des reichen Mannes vor dieser einmaligen Dom-Kulisse gibt es noch einige wenige Karten. Covid-19-bedingt begann der offizielle Kartenverkauf erst Mitte Juli. Wenn in diesem Sommer der Jedermann-Ruf vom Domplatz aus durch die Stadt dringt, dann wird klar, dass das Festival vor dem Virus nicht eingeknickt ist. Saisonuntypisch herrscht kaum Gedränge in der berühmten Getreidegasse. Wenn nicht jetzt nach Salzburg und zu den luxuriösen
Festspielen, wann dann? Ich verliere mich in Gedanken an Oper, Konzert oder Theater – endlich wieder live und nicht digital.
Wohin zum Essen?
Klar, das Tomaselli ist der Klassiker unter den Kaffeehäusern. Ich gehe allerdings lieber ins Bazar direkt an der Salzach und mit Blick auf die Stadt. Sänger, Schauspieler aber vor allem die Salzburger sitzen hier stundenlang beim großen Braunen, der Melange oder einer anderen Kaffeespezialität und Torten. Im Gasthof Goldgasse geht es ebenso traditionell zu, das Essen hat jedoch einen modernen Dreh. Das Hotel Stein hat eine neue Dachterrasse, sehr stylish und mit leichter, moderner Küche. Wem nach Idylle pur und mehr Ruhe ist, dem sei das zehn Minuten entfernte Örtchen Anif mit dem Schlosswirt und Friesacher empfohlen. In beiden Restaurants gibt es köstliche österreichische Küche und man sitzt sehr gemütlich im Freien. Die letzten vier Restaurationen bieten übrigens auch Zimmer zum Übernachten an.
Über die Autorin:
Juliane Rohr ist Journalistin, lebt und arbeitet in Berlin. Sie schreibt mit Leidenschaft über Kunst und Menschen in der Kunst u.a. für n-tv.de. Im Blog kochen, kunst und ketchup bespricht sie monatlich Ausstellungen in Berlin und anderswo. Wer ihr unter jr.artynotes folgt, kann sich auf Instagram von ihren Kunst-Tipps inspirieren lassen.