Weihnachtsfilme ab!

Oh Gott, es geht schon wieder los. Wann eigentlich genau? Wenn zum ersten Mal „Last Christmas“ im Autoradio läuft? Die ersten Spekulatius in den Supermärkten die Geschmacksgrenzen der Traditionalisten testen? Die Autorin Karina Lübke über den ganz normalen Weihnachtswahnsinn, der uns jedes Jahr überfällt, besonders wenn es um Weihnachtsfilme geht. Warum warten wir 11 Monate im Jahr, um immer und immer wieder die gleichen Filme an den Feiertagen zu sehen. Hier ihre ganz persönliche Spurensuche aus ihrem neuen Buch "bitte recht festlich".


 

Von Karina Lübke

 

Etliche der schönsten Erinnerungen muss man sich zum Weihnachtsglück nicht mal selbst machen. Besser gesagt muss man dafür nichts tun, außer sich zuhause in Sofa oder Sessel zu kuscheln und Filme anzuschauen. Und zwar alle Jahre immer und immer wieder die immer gleichen, und zwar auch N U R in der Advents- und Weihnachtszeit, damit sich deren Zauber nicht abnutzt. Video killte nicht nur den Radio-Star, sondern auch den TV-Star: Vor der Erfindung von Videokassetten, DVDs und Streaming- diensten kaufte man sich vorher für den Dezember extra eine Fernsehzeitschrift und kreuzte an, wann sich auf wel- chem Sender etwa „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“ abspielen würde. Zu diesen Zeiten war man dann definitiv nicht zu sprechen und genoss den Film viel intensiver in dem Bewusstsein, dass man ein Jahr würde warten müs- sen, falls man diese sogenannte „Sendung“ verpasste.

Ich habe eine Umfrage unter Freundinnen, Freunden und Familienmitgliedern durchgeführt, welche für sie DIE Weihnachtsfilme sind, ohne die Weihnachten ein- fach nicht Weihnachten ist. Einige sind alt genug, als Kinder heimlich durch die halboffene Wohnzimmertür die jährlichen „Weihnachts-Vierteiler“ im ZDF mitge- sehen zu haben, die zwischen 1964 und 1983 produziert worden sind: Patrick Pacard, Die Schatzinsel, Die Leder- strumpf-, Der Seewolf, Zwei Jahre Ferien, Lockruf des Goldes, Die Abenteuer des David Balfour ...

Aber nun zu den Filmen! Auf Platz eins kam Der kleine Lord mit dem wundervollen Alec Guinness als standes- dünkelnden, erzbritischen Earl of Dorincourt, dessen hartes Herz von seinem süßen, aber demokratisch-ame- rikanisierten Enkel und Erben Cedric ... ach, ich glaube, ich muss da gar nichts weiter zu sagen, denn wenn Sie dieses Buch gekauft haben, werden Sie die Textzeilen des Filmes wahrscheinlich auch auswendig mitsprechen kön- nen. Und mehrfach Tränen der Rührung vergießen: Ich persönlich fange spätestens damit an, wenn der geläuterte Großvater zu Weihnachten die reizende, tapfere, charak- terlich einwandfreie, aber bisher von ihm trotzdem als Bürgerliche verachtete Mutter des Kleinen hinter dem gi- gantischen Weihnachtsbaum des Schlosses hervorzaubert. Wenn die ihrem Sohn mit Tränen in den Augen die Arme entgegenstreckt ... Sehen Sie, es fängt schon wieder an! Ab da weine ich mich bis zur letzten Abspannzeile durch und fühle mich hinterher seelisch so wohlig weichgespült.

Auf Platz zwei folgt der tschechische Märchenfilm Drei Haselnüsse für Aschenbrödel von 1973, den ich und sämt- liche Freundinnen schon als Kind geliebt haben und längst mit unseren ebenso bezauberten Kindern zusammen gu- cken: Aschenbrödel als zu allem fähiges Naturkind! Ihr weißes Pferd Nikolaus! Ihre geheimnisvolle Eule Rosa- lie! Und natürlich die Schlussszene, wo sie als strahlende Prinzessin mit vor Kälte und Glück roten Wangen in dem wunderschönen Brautkleid mit wehendem Umhang auf ihrem weißen Pferd neben ihrem Prinzen auf seinem Pferd durch eine endlos weiße Schneelandschaft unter einem endlos blauen Himmel ihrem Glück entgegen galoppiert: Ein transgenerationaler Traum! Dazu diese Musik von Karel Svoboda: Lalalalaaaalalalalaaaa ... Und so weiter und so weiter ... ja, schon gut. Ich muss sagen, dass ich einst sogar mal geheiratet hatte, weil der Mann damals dem Film-Prinzen so ähnlichsah. Es gibt schlechtere Motive. 

Auf Platz drei kommt Tatsächlich Liebe. Der herzerwei- chende Film von Richard Curtis ist 2003 erschienen und seitdem nicht mehr wegzudenken: Zehn verschiedene Ge- schichten über die Liebe verbinden sich am 24. Dezember zu einem selig machenden großen Finale. Allein das Video des Weihnachtsliedes Christmas is all around mit dem wundervollen Bill Nighy als abgehalftertem Ex-Rockstar bringt mich in Stimmung. Und den Mariah-Cary-Song All I want for christmas is you ertrage ich nur in der Film- version hier. Dazu ewige Lieblingschauspielerinnen und -schauspieler wie Keira Knightley, Liam Neeson, Emma Thompson, Colin Firth, Hugh Grant – und einem meiner Helden, dessen viel zu frühen Tod ich dem Himmel nie verzeihen werde: Alan Rickman. Der spielt tröstlicher- weise übrigens in überraschend vielen Weihnachtsfilmen mit – etwa in Harry Potter (hach, die weihnachtlich ge- schmückte Große Halle mit dem magischen Schneefall!) oder den deutschen Terroristen Hans Gruber im ersten Die Harder von 1984. Ja, nicht nur in meinem Bekannten- kreis gab es eine größere Diskussion, ob der Actionkracher mit Bruder Willis nun ein Weihnachtsfilm sei, weil die Handlung an Weihnachten spielt und er zu Weihnachten deswegen immer gespielt wird – oder auf keinen Fall, weil die Handlung ja nicht wirklich friedlich ist. Doch für die meisten gilt da das Internet-Meme „Es ist nicht wirklich Weihnachten, bis ich Hans Gruber vom Dach des Na- katomi Plaza fallen sehe“. Und zumindest hat der Film ein Happy End. Jedes Jahr sieht man all diese Filme mit einem anderen Fokus und identifiziert sich je nach eige- nem Alter und Entwicklungsstand im Leben mit immer anderen der Figuren. Als ich Die Harder das erste Mal sah, hielt ich Bruce Willis für einen fitten älteren Mann.

Als ich ihn zuletzt gesehen habe, war ich völlig verblüfft, wie wahnsinnig jung Bruce Willis mal gewesen ist – und wie unfassbar viele Haare hatte der bitte mal? Den zweiten Gedanken, dass ich wohl mit ihm gealtert bin, schlucke ich schnell mit etwas Glühwein runter.

Auf Platz vier kommt der schwarz-weiße US-Klassiker Ist das Leben nicht schön von Frank Capra aus dem Jahre 1946. Der Film wird immer spät am Heiligen Abend gesendet und es gibt nichts Besseres als emotionale Chill- out-Zone nach dem großen Bescherungsdurcheinander: Mit vollem Bauch und vollem Herzen dabei zu sein, wie ein Engel seine Flügel bekommt, weil er den vor Exis- tenzangst lebensmüde gewordenen James Stewart am Weihnachtsabend gerettet und den Mann erleuchtet hat, wie wunderbar doch das, nun, Leben eben ist, solange man Familie und Freunde hat. Die weihnachtliche Botschaft ist klar: All you need is love! Bei seinem Erscheinen war der Film kommerziell übrigens ein Flop.

Damit diese Liste jetzt nicht zu einem Extrabuch ausufert, werde ich die weiteren genannten Weihnachtsfilme einfach ohne Rangfolge und ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit auflisten. Manche Freunde nannten als „ihren“ schönsten Familien-Weihnachtsfilm Außensei- ter wie Tanz der Vampire, wegen „dem vielen schönen Schnee“! Mehrheitsfähiger waren allerdings ...

 

- alle drei Teile von Sissi mit Ikone Romy Schneider über die Feiertage verteilt schauen
- alle Kevin-Filme – vor allem Kevin in New York mit dem World Trade Center, Tim Curry als Concierge und einem kurzen Durchlauf von, wäääh, den wollte man ja eigentlich nie wiedersehen, Donald Trump
- Liebe kennt keine Ferien – übersüß mit Cameron Diaz und Kate Winslet
- Weihnachten in Bullerbü. Überhaupt: B U L L E R B Ü 4ever! IM SCHNEE!
Charles-Dickens’ Weihnachtsgeschichte – auch in der Muppet-Version mit Tiny Tim oder mit Bill Murray in
- Die Geister die ich rief Drei Männer im Schnee Buddy der Weihnachtelf Die Glücksritter
- Der Schneemann – wunderschöner Animationsfilm Familie Stone – Verloben verboten mit Dianne Keaton und SJP
- Wir sind keine Engel mit Humphrey Bogart und Peter Ustinov
- Alle Michel-Filme
- Schöne Bescherung mit Chevy Chase
- Single Bells mit Martina Gedeck
- Der erste Bridget Jones mit Colin Firth im peinlich- niedlichen ugly christmas sweater
- Das Wunder von Manhattan
- Mary Poppins mit Julie Andrews
- Harry & Sally, weil da der Weihnachtsbaum so unge- lenk heimgeschleift wird und es an Silvester ein Happy End gibt und der übergroße L O R I O T natürlich! Ohne Weih- nachten bei den Hoppenstedts ist es nicht Weihnachten.

 

 


 

 

 

Nein, das Leben ist kein Wunschzettel! Aber in diesem Buch steht alles, was man über Advent und Weihnachten wissen muss, um das Fest der Liebe(n) nicht (nur) zu hassen. „bitte recht festlich“ von Karina Lübke ist im Carlsen Verlag erschienen, hat 128 Seiten und kostet 8,99 Euro. Gibt es hier oder in allen Buchläden. Viel Spaß beim Lesen!

Karina studierte erst  Design, machte ein Diplom in Mode und absolvierte dann bei Wolf Schneider die Hamburger Journalistenschule. Sie wurde anschliessend Redakteurin und Kolumnistin bei TEMPO und schrieb dann freiberuflich für einige Magazine. Ihre monatliche Kolumne "Bitte recht feindlich" in der Zeitschrift BARBARA hat eine große Fangemeinde und wird Anfang diesen Jahres als Buch erscheinen, ebenso wie ihr nächster Roman. Zwischendurch heiratete sie, zog eine Tochter und einen Sohn groß. Mehr erfahrt ihr hier.


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