Fotos gehören heute zu unserem Alltag. Alles, was Du brauchst, ist ein gängiges Smartphone mit den passenden Filtern und schon geht es los. Was genau unterscheidet allerdings jemanden vom Fach? Ist es die Leidenschaft, das Können oder etwas ganz Anderes? Und: Ist da überhaupt noch Platz für eine junge Miss Newton?
Anna Daki ist erfolgreich in ihrem Beruf als Fotografin. Sie arbeite seit sechs Jahren, mittlerweile für Größen wie die deutsche Vogue oder Harper’s Bazaar. Annas Plan war es nie, Fotografin zu werden. Sie studiert Architektur, doch als sie sich für eine Semesterarbeit genauer mit Mode, Fotografie und Magazinen auseinandersetzt, wird sie nicht nur zum erneuten Male mit der Nase auf ihr eigenes Talent gestoßen, sondern fängt auch an.
Anfangs sind es vor allem Freunde, die Anna fotografiert. Mittlerweile lebt sie in London. Eines Tages schaut eben einer dieser guten Freunde auf ihre Werke und sagt: Hey Anna, you should try! Und tatsächlich: Agenturen reagieren auf ihre Anfragen, Fotos von Modellen zu machen. Inspiriert von den Ikonen aus den großen Magazinen wie Helmut Newton, ihr absoluter Foto-Gott ist, legt Anna los.
Professionelle Fotografin zu werden, ist nicht einfach – auch wenn du gut bist. Das war es noch nie! Und dafür gibt es heute einfach auch zu viele. Freunde und Familie wollen ihr Bestes und vielleicht auch nur vor einer möglichen Enttäuschung warnen. Was Anna vorantreibt, ist ihr Glaube. Erstes Geld verdient sie in Hamburg. Hier arbeitet sie für einen Onlineshop und kann nebenbei im Studio eigene Projekte verfolgen.
Als es weiter nach Berlin gehen soll mit ihrem Mann Nikolaus, raten viele ab: Es sei schwer, sich in dieser Stadt zu behaupten und eigenes Geld zu verdienen. Das mag sein! Doch genauso merken Menschen, wenn es jemand wirklich ernst meint mit dem, was er tut. Erste Kontakte zu potenziellen Auftraggebern kommen zustande und auf einmal ist da der Talentwettbewerb von Harper’s Bazaar.
Anna gewinnt zwar nicht den ersten Preis, trotzdem bekommt sie gutes Feedback, das inspiriert und ihr Mut und die notwendige Kraft gibt, weiter ihren Weg zu gehen mit einem ganz klaren Ziel vor der Linse. Heute sitze ich in ihrem Berliner Studio in Charlottenburg. Anna hat es geschafft. Berlin stellt sich als großer Karriere-Push heraus.
Anna fotografiert Mode, Editorial und verfolgt auch eigene Projekte, z.B. eine Ausstellung im November, die in Berlin stattfindet mit dem Thema BODY ARCHITECTURE: Körperfotografien in Schwarz/Weiß. „Beauty is nothing about being skinny. It’s more about being healthy.“ Körper, Haut und vor allem Charme! Oder um es so zu sagen: Schönheit ist so viel mehr als nur hübsch aussehen. Schönheit ist etwas Unbeschreibliches, das wir alle suchen, weil es uns etwas gibt wie z.B. einen Moment der Inspiration.
Klar sieht Anna viele hübsche Menschen! Trotzdem ist es immer etwas Besonderes, das von manchen schönen Menschen ausgeht, etwas, das sie für Anna unvergesslich macht oder sich zumindest so stark in ihrem Gedächtnis einbrennt, dass sie genau diese Menschen für bevorstehende Kampagnen vorschlägt.
Von genau diesen besonderen Merkmalen ist Anna fasziniert und so kann es passieren, dass man mit Anna in einem Café sitzt und sie auf jemanden fixiert ist und ihn anstarrt, weil er eben etwas Besonderes hat, das Anna in den Bann zieht. Das kann etwas in dem Gesicht sein, Hände oder ein anderes Detail. Anna mag vor allem Gesichter und die Tatsache, dass jedes anders ist. Deswegen mag sie auch Portrait-Fotografie, denn beim Fotografieren bzw. im Foto oder der Retusche hat Anna diese besondere Schönheit so stark vor dem Auge.
„Extremly charming, extremly nice“ – natürlich kann man nicht immer nur von der viel zitierten inneren Schönheit sprechen, vor allem, weil man diese ja auch erst einmal kennen lernen muss, bevor man sie wahrnehmen kann. To be honest: Wir sind Menschen und Menschen beurteilen nun mal immer die äußere Erscheinung eines Menschen. Trotzdem glaubt Anna an ein Zusammenspiel aus innerer und äußerer Schönheit und dass sie sich gegenseitig ein Stück weit beeinflussen.
Anna baut gerne eine Beziehung zu dem Menschen auf, den sie fotografiert, auch wenn diese nicht immer eng sein kann, um so „through the eyes“ schauen zu können. Trotz allem interessiert sich Anna für das Dahinter und versucht, einen Kontakt herzustellen, auch wenn dieser sich auf ein Minimum eventuell reduziert. 10 Minuten mit einer Person können dabei schon so hilfreich sein und so kommen dieses Jahr zur Fashion Week locker 60 Modelle in ihr Berliner Studio zum GoSee; zehn von ihnen werden tatsächlich für anstehende Projekte gebucht.
Genau das ist der Punkt: Am Ende zählt immer das Resultat. In Annas Fall: das gute Foto! Wie Anna letztlich dahin kommt, ist dem Auftraggeber egal. Annas Alltag besteht also immer aus einem Kompromiss zwischen ihrem Anspruch an Schönheit, der mit Persönlichkeit und Charme bzw. Ausstrahlung zu tun hat, und dem tatsächlichem Alltag, in dem einfach auch mal schnell ein Model gebucht werden muss für einen Job. Da kann man sich eben vorher nicht auf einen Kaffee treffen, auch wenn das schön wäre.
Vieles steht und fällt natürlich auch mit dem Auftraggeber. Am liebsten sind Anna die, die in den Job involviert sind und nicht einfach nur sagen: Mach mal! Cool und absolut wertschätzend ist es, wenn Auftraggeber Moods schicken, die ihre eigenen Bilder und Visionen enthalten mit der Aussage: Genau so! Das ist das größte Kompliment. Meist handelt es sich um ein vorgebendes Thema, das Anna entwickelt. Im wahrsten Sinne.
Thema Auswahl: Was macht ein Bild denn speziell? Anders als (von mir) erwartet, entscheidet weniger das Gefühl, ob ein Bild gut oder weniger gut ist. Anna kann Entscheidungen einfach erklären. Alles ist schließlich erlern- und dadurch herleitbar. Anna hat das Auge! Und mit diesem entscheidet sie über viele Faktoren, wie Anschnitt, Licht oder Komposition.
„I like photos, which happen“ – Schnappschüsse. Vielleicht wirken sie etwas weird, aber sie sind eben echt. Anderes muss man natürlich ganz klar planen. Jede Pose muss sitzen, wie bei einem Beauty-Shooting. Das Model hat hierbei kaum Spielraum, darf sich also nicht bewegen, sondern stattdessen immer dieselbe Pose halten, die Anna dann fotografiert.
Gibt es eigentlich so etwas wie das perfekte Bild? Klar, es gibt viele Gute. Aber das Perfekte... Geschmack entwickelt sich. Das, was man vor einem Jahr vielleicht noch als gut empfunden hat, sieht man heute schon wieder anders. Im Zweifel denkt man sich: WTF. Anna ist sehr selbstkritisch, wenn es um ihre Bilder geht. Das finde ich sympathisch.
Zurück ins Berliner Studio. Ich frage mich: Gibt es in Zeiten von Filtern (und anderen Bearbeitungsprogrammen) eigentlich so etwas wie Authentizität in Bildern oder ist alles, was wir sehen, eine Illusion? Annas Antwort spricht mir aus dem Herzen. „Photography is dreaming away from reality“. Modefotografie ist alles andere als authentisch. Und genau das ist es, was wir an diesen Bilder lieben: dass sie nicht echt sind!
Zwischen all dem, was in der Realität tatsächlich passiert, ist es doch einfach nur schön, etwas zu sehen von dem du genau weißt, dass es nicht realistisch ist. Die Bilder sind also ein Fake, mit dem wir sehr gut leben können. Natürlich entscheidet auch hier das Maß. Too much ist too much. Und genau darin besteht ja Kunst: Das richtige Maß zu finden.
Zu viel bedeutet, dass ein Bild überretuschiert ist. Anna ist kein Doktor, der einen Körper für ein Bild verändert oder aus einem alten Gesicht ein Junges macht. Das wäre nicht nur eine Lüge, sondern auch respektlos. Gleichzeitig möchte Anna mit ihrer Fotografie auch nicht die Welt verändern und sagen, dass niemand mehr Photoshop etc. verwendet sollte: Wenn etwas Schönes noch schöner werden kann, warum nicht?
Dann gibt es Fotografie, die gerade, weil sie real ist, uns umhaut. Peter Lindbergh ist beispielsweise ein Fotograf, der komplett von Retusche absieht und seine Modelle stattdessen lieber so zeigt, wie sie inklusive Augenschatten, Falten etc. sind. Klar kann darin auch etwas Wundervolles liegen, aber wenn es soweit geht, dass Beine nicht mehr rasiert und eben so auf dem Foto gezeigt werden, ist es Anna zu viel Realität.
Apropo, für ein gutes Foto kann es schon mal passieren, dass Anna etwas Gefahr läuft, z.B. wäre sie schon mal fast in einen Kanalisationsschacht beim Fotografieren gefallen. Und schon zweimal fast vom Auto überfahren. Berufsrisiko. Da hilft nur Yoga! Klar, zum Runterkommen aber auch um den täglichen Herausforderungen Stand zu halten und neuen Mut zu schöpfen. Ein Handstand kostet schon etwas Überwindung.
Viele schöne Fotos in unserem SoSUE Shop sind von Anna. Have a look.