An dieser Stelle schreibt unsere Autorin Briefe an „ihren Mann“, den es zwar hoffentlich schon gibt, der aber noch nicht bei ihr geklingelt hat. Die Bilder zu der Serie sind von dem Fotografen Peer Kugler. Die beiden waren vor 30 Jahren ein Paar und haben die meiste Zeit ihrer verliebten 24 Monate im Kino verbracht. Beide wundern sich darüber, dass ihre Freundschaft schon so alt ist wie der Fall der Berliner Mauer. Auf einer gemeinsamen Reise nach Bukarest vor 24 Jahren schlug Stefanie Peer vor, eine Leica mitzunehmen, seither legt er die Kamera nur selten vom Körper ab.
Teil 11
Katzenklappe
Gestern habe ich mir, aus gegebenem Anlass, „Out of Africa“ mit Meryl Streep, Klaus Maria Brandauer und Robert Redford angeschaut. Mein Tränenschleier in der zweiten Hälfte des 160 Minuten langen Meisterwerks von 1985 war wieder bemerkenswert. Vier mal habe ich es gesehen, natürlich im Abstand von mehreren Jahren. Das Arrangement zwischen Meryl und Robert beziehungsweise Karen und Denys hält für mich jedes Mal eine andere Perspektive bereit.
Es läuft eigentlich ganz wunderbar zwischen den beiden. Zunächst. Die Dänin aus gutem Hause, offiziell ist sie Gattin des verarmten Salonlöwen Brandauer, betreibt 1918 höchst emanzipiert eine Kaffee-Plantage. Die Ehe bleibt ein freundschaftliches Arrangement.
Karens große Liebe ist der Großwildjäger Denys. Der Brite pflegt das Privileg unangekündigt bei Karen einzukehren. Dann gibt es nur die beiden. Toller Sex, tolle Gespräche, Abreisedatum offen. Ein unverbindlicher Zyklus zweier Seelenverwandter und deshalb mit langer Halbwertszeit. Mein lieber Mann, du denkst jetzt hoffentlich: ein Traum!
Doch die Gelegenheiten häufen sich, bei denen Karen thematisiert, dass ihr das Modell Großwild-Katzenklappe nicht mehr zusagt. Sie möchte es verbindlicher, fordert ausgerechnet von dem Streuner ein Bekenntnis. Er scheut. Nein, es gäbe nur sie, beteuert Denys am Lagerfeuer. Karen hält ihren Standpunkt und fordert ihn auf, seine Sachen zu packen. Denys weiß, da gibt es nichts zu diskutieren. Beide sind an ihren Grenzen angelangt. Die Phase der bedingungslosen Zuneigung ist vorüber. Es ist der Punkt, den fast alle Liebenden erreichen. Unerheblich welches emotionale oder normative Arrangement läuft.
Am Wendepunkt des Drehbuchs brennt die Ernte der Kaffeeplantage nieder. Karen ist bankrott und muss zurück in ihre Heimat Dänemark. Das Gesetz der Serie. Romantik verpufft, wirtschaftlicher Ruin, die ersten Spuren des Alterns. Beim Abschied gesteht ihr Denys, sie habe ihm den Genuss des Alleinseins verdorben. Immerhin. Darauf darf Karen nun den Rest ihres Lebens herumkauen, denn der Grenzgänger wird den Heldentod sterben. So sieht es das mit einem Oscar ausgezeichnete „beste adaptierte Drehbuch“ vor. (Out of Africa wurde für elf Oscars nominiert und gewann sieben davon.)
Mein lieber Mann, ich hatte keine Farm in Afrika. Sehr wohl aber gab es einen Brandauer und auch einen Redford in meinem Beuteschema. Für beide habe ich eigenhändig die Katzenklappe zugenagelt.
Rückblickend würde ich sagen: Wie überaus riskant von mir! Meins, Deins – alles bürgerliche Kategorien. Heute bin ich zwar schlauer, aber nun fehlen mir meine Spielkameraden. Manchmal ist es unfassbar langweilig eine erfahrene Frau zu sein. Mein lieber Mann, folgendes würde ich gern mit dir besprechen: Wenn wir also endlich die Reife besitzen, dem anderen die bedingungslose Freiheit zu lassen, sind wir dann nicht mehr im Beuteschema? Benötigt Anziehung die Möglichkeit des Scheiterns?
Genau, das klingt jetzt so klischeehaft wie ein Hollywood-Drehbuch. Aber machen wir tapfer weiter an diesem Schmerzpunkt: Tauschen wir emotionale und äußerliche Reife gegen Attraktivität – und sind fortan allein auf Safari? Sind manche Frauen aus meiner Generation die Weiterentwicklung einer emanzipierten Karen? Bedrohlich wirkende Löwenmütter, die sich satt die Pfoten von der Jagd lecken und abgeklärt den Horizont beobachten. Und die Löwenmännchen ziehen weiter, um neue Reviere abzustecken.
Bleibt mir eventuell nur eine hübsche Veranda in Dänemark, um ein paar Geschichten aufzuschreiben? Meine Hunde zu kraulen, mich weise in den Schlaf zu meditieren, Gleichgesinnte zu trösten und mir vorzustellen, dass Du irgendwann durch mein Revier streifst? Wer blinzelt zuerst - oder dreht der Wind?
Mein lieber Mann, hast Du dich schon mal ernsthaft für eine Frau interessiert, die dich nicht braucht?
Ich meine das nicht als Affront. Ich finde den Aspekt der Absichtslosigkeit interessant. Diesen Raum würde ich gern einmal mit jemandem betreten. In dieser Architektur wäre eine Katzenklappe im Bauplan überflüssig. Ist das der Bluff einer verletzten Jägerin? Das kann ich dir erst beantworten, wenn ich 2025 noch einmal Out of Africa gesehen habe.