Knuths Lost & Found November 11

In Lost and Found schreibt Knuth über Dinge, die bei ihm im hängen geblieben sind. In seinem Monatsrückblick beschäftigt er sich mit der Frage, warum wir immer ungeduldiger werden. Außerdem hat er noch ein paar Lese- und Streamingtipps für euch parat. Übrigens Geduld, der Beitrag dauert etwa acht Minuten. 

#ChillMal 

November 2020  –  Es lief gut für uns. Im Sommer glaubten wir, dass wir aus dem Gröbsten raus sind und traten ungeduldig die Flucht nach vorn an. Die Ausrede war, dass wir angeblich viel entbehren mussten. Wir feierten und verreisten, als wäre nichts gewesen. Es waren viele Kurzsprints ins Vergnügen. Sogar etwas Euphorie machte sich breit. Am Ende wurden wir sogar risikofreudiger. Wer damals Bedenken äußerte, war eben eine Spaßbremse oder ein Angsthase. Im November bekamen wir plötzlich kalte Füße, weil die Infektionszahlen stiegen.

In dieser Pandemie verhalten wir uns wie ein Marathonläufer, der die Hälfte der Strecke geschafft hat und schneller wird, weil er das Ziel kaum noch erwarten kann und dabei vergisst, dass er noch einen weiten Weg vor sich hat. Aber dieses Konzept zahlt sich meistens nicht aus, weil einem die Puste unterwegs ausgeht. Jetzt steht der Winter vor der Tür und wir müssen noch ein paar Monate durchhalten. Wir sollten endlich Willensstärke zeigen, damit wir alle das Ende der Pandemie gesund überstehen. Die Einzigen, die jetzt ungeduldig sein dürfen, sind die, deren Existenz durch die Krise gefährdet ist oder die gegen das Virus kämpfen müssen.

Unser Zauberwort im Hier und Jetzt lautet: „Sofort!“

Schon vor der Seuche waren die Menschen gereizter, wenn es ihnen mal nicht schnell genug ging. Leider weiß ich nicht mehr, wann wir hippeliger geworden sind, aber irgendwann haben wir begonnen, uns wie verwöhnte Kinder aufzuführen. Ob Corona oder nicht, das Zauberwort im Hier und Jetzt lautet immer: „Sofort!“ Diese Ungeduld ist ansteckend, auch mich hat es erwischt. Ich werde schon unruhig, wenn der Ladebalken meines Rechners ein paar Sekunden länger braucht als sonst. Apropos Computer, die digitale Welt schwächt zusätzlich unsere Kondition, die aber bräuchten wir dringend, um die täglichen Warteschlangen zu ertragen.

Die Algorithmen haben uns darauf getrimmt, dass wir uns im Internet wie Könige und Königinnen fühlen. Facebook, Google, WhatsApp und Amazon liefern eben immer schnelle Ergebnisse in Echtzeit. Das Fatale daran ist aber, dass wir auch in der anlogen Welt von allen hofiert werden wollen. Überall sollen für uns die Ampeln auf Grün geschaltet sein. Aber wenn wir schon im Alltag mit kurzer Zündschnur rumlaufen, wie sollen wir dann langwierige Prozesse aushalten, die länger als eine Blitzdiät dauern? Dass sich komplexe Dinge nicht per Doppelklick erledigen lassen, begreifen wir mit unserem Schlagzeilenwissen anscheinend immer weniger. Kein Wunder, dass Wissenschaft und Politik immer mehr an Ansehen verlieren.

Aber wäre es nicht langsam an der Zeit, langfristige Ziele zu verfolgen, statt uns nur von Impulsen leiten zu lassen? Jeder gute Ausdauerläufer weiß das, denn bei einem Marathon zählen nicht die ersten Kilometer, sondern die letzten Kilometer. Daher teilt er seine Kräfte klug ein, widersteht den erstbesten Chancen und kommt so sicher ins Ziel. Wir müssen ja nicht gleich ein Langstreckenläufer werden, um unsere mentale Ausdauer zu trainieren. Vielleicht reicht da schon eine einfache Übung aus, die der römische Kaiser Augustus machte, wenn er merkte, dass er seine Beherrschung verliert, er sagte in Gedanken das Alphabet auf.

Wäre es nicht wunderbar, wenn wir alle mehr Geduld aufbringen könnten? Es gibt Situationen, die brauchen einfach mehr Zeit. Geben wir sie ihnen. Es lohnt sich.

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Hast du noch ein paar Minuten? Ich hatte das Glück, ein paar neue Bücher und Filme zu entdecken. Vielleicht ist etwas für dich dabei. Danke für deine Geduld und viel Spaß mit meinen Tipps.

 


 

Dress Vintage Like a Parisian -  Aloïs Guinut

 

Vor Monaten hatte ich hier auf dem Blog über mein Experiment geschrieben, nur noch wenig Mode zu kaufen, es fiel mir am Anfang schwer, aber ich wollte Klarheit statt Krams. Nun hat die Autorin von „Dress like a Parisian“ ein Buch über Vintage Mode geschrieben und warum weniger mehr ist. Es ist eine Anleitung für nachhaltiges Einkaufen: Mode so lange wie möglich tragen, Second-Hand kaufen oder Klamotten weitergeben oder auf Klassiker setzen. Es wird nicht erzogen, es wird inspiriert. Im Grunde braucht auch Frau nicht viel, um cool zu sein, sie bleibt auch ohne  „It“ ein Hingucker – immer.

Dress Vinatge Like a Parisian – Der Style-Guide für einen nachhaltigen Kleiderschrank,  Aloïs Guinut, Prestel Verlag, 224 Seiten

 


 

Du hast das Leben vor dir – Netflix

 

Wer über Diven spricht, die den Status einer Göttin haben, der spricht nie den vollen Namen aus, sondern verwendet immer den weiblichen Artikel und den Nachnamen. Die Loren hat nach zehnjähriger Pause mit 86 Jahren wieder einen Film gedreht. Sie spielt die ehemalige Prostituierte Madame Rosa, die den Holocaust überlebt hat und sich im hohen Alter um elternlose Kinder kümmert. So kommt der Streuner Momo – wunderbar in der Rolle Ibrahima Gueye - zu ihr, der sich mit Diebstählen und Drogenhandel durchs Leben schlägt. Keine Liebe auf den ersten Blick, aber die beiden raufen sich zusammen. Sophia Loren spielt die Rolle mit viel Würde und Stolz. Grazie.

 Du hast das Leben vor dir – Netflix

 


 

 Ein verheißenes Land ­ - Barack Obama

 

Das Buch von Obama wollte ich erst zwischen den Feiertagen lesen. Als ich nach Hause kam, habe ich erst darin geblättert und dann hatte ich schon die ersten Seiten verschlungen. Gut geschrieben, offen und selbstkritisch. Es ist mehr eine Analyse als eine Biografie. Beim Lesen kam mir der Gedanke, ob ein Mann, wie Obama in Deutschland Kanzler hätte werden können? Keine Chance, denke ich. Das ist nur in den USA möglich. Das Land bleibt trotz Trump für viele Menschen das gelobte Land.

 Verheißenes Land – Barack Obama, Random House, 1.024 Seiten

 


 

 Damen Gambit - Netflix

 

Die Serie ist die erfolgreichste Miniserie auf Netflix. Angeblich haben 62 Millionen Haushalte das Drama gesehen. Die Story: Die junge Beth Harmon , gespielt von Anya Taylor-Joy, setzt sich in den 60er-Jahren in der männerdominierten Schachwelt durch und wird am Ende in der Sowjetunion Weltmeisterin. Die wohl aufregendste und stylishste Serie seit Langem. Wer braucht denn da noch heute Modeschauen? Die neuen Hingucker werden gestreamt. Und wer hätte gedacht, dass Schach, so spannend sein kann. Die Serie ist alles andere als eine Hängepartie.

 Damen Gambit – Miniserie, Netflix

 


 

Ulrike Schiesser über Verschwörungstheorien –  Gedanken, Radio Ö1

 

Klimawandel? Eine Idee von korrupten Politikern. Corona? Haben Chinesen und Juden erfunden. Flüchtlinge? Da hat Bill Gates seine Finger im Spiel? In der Welt der Verschwörungstheoretiker gibt es keinen Zufall, überall steckt eine Absicht dahinter und wird von bösen Mächten gesteuert. Ulrike Schiesser ist Psychologin, Therapeutin, österreichische Sektenbeauftragte, Kriminologin und erklärt in einem Radiointerview mit Ö1, was diese Leute antreibt. Es sind keine Einzelgänger oder Spinner. Es sind Freunde, Kollegen und Verwandte, die mittlerweile bizarren Ideen verfallen sind. Hörenswert. (Anmerkung: Da es sich um ein Radiointerview handelt, wird immer wieder Musik eingespielt, aber Du kannst das ja überspringen)

Ulrike Schiesser über Verschwörungstheorien –  Gedanken, Radio Ö1, Sendung vom 22.11.20

 

Danke für deine Zeit, dass du meinen Blogbeitrag gelesen hast.

 


Knuth Kung Shing Stein ist Gründungsmitglied von SoSUE und unterstützt noch weitere Marken als PR Berater und Content Curator. Er selbst beschreibt seine Arbeit als „irgendwas mit Medien“. Der Hamburger würde am liebsten auf einen Berg mit Strand ziehen. Mehr über Knuth erfahrt ihr auf seiner Website Collideor and Scope.


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