Am 8. März ist Weltfrauentag, ein guter Anlass, um euch Women for Women International vorzustellen. Die Organisation hilft seit 1993 international weiblichen Kriegsüberlebenden dabei, sich ein neues Leben aufzubauen und ihre Zukunft selbst zu gestalten. Wir haben Caroline Gallois interviewt, sie arbeitet seit März 2020 als Referentin für digitale Kommunikation und Fundraising bei Women for Women International.
1. Was sind deine Aufgaben bei Women for Women International, woran arbeitest du gerade persönlich?
Da wir noch ein sehr kleines Team in Deutschland sind, fallen täglich neue spannende Aufgaben an, wo auch mal spontanes Anpacken gefragt ist. Hauptsächlich bin ich aber für alle Fragen rund um die Sponsor*innenakquise und -kommunikation zuständig, tummele mich aber auch vermehrt im Bereich politische Arbeit und institutionelles Fundraising. Gerade fokussieren sich jedoch natürlich all unsere Kräfte auf den bevorstehenden Weltfrauentag.
2. Erkläre uns doch bitte, worin die Arbeit von Women for Women International besteht?
Women for Women International unterstützt marginalisierte Frauen in von Krieg Konflikt betroffenen Ländern dabei, sich ein neues Leben aufzubauen. In unserem 12-monatigen Schulungsprogramm erhalten Frauen, die Krieg, Gewalt, und Konflikt erlebt haben, neben einer beruflichen Ausbildung wichtiges Wissen über ihre Gesundheit und ihre Rechte. Dabei ist vor allem die Vernetzung der Teilnehmerinnen in der Klasse mit 24 anderen Frauen essenziell; dort tauschen sie sich über Erlebtes aus, können sich gegenseitig aufbauen und Mut zusprechen. Der Unterricht schafft Selbstbewusstsein und ermöglicht den Frauen ein wirtschaftlich selbstbestimmtes Leben, wobei sie sich aus eigener Kraft aus der Armut befreien und ihre Stimmen für sich und andere Frauen erheben können.
3. Was macht ihr konkret? Wie sieht die Arbeit vor Ort aus?
Unser einjähriges Schulungsprogramm zum wirtschaftlichen und sozialen Empowerment gibt den Frauen das Wissen und die Ressourcen an die Hand, um nochmal ganz von vorne anzufangen. Durch eine an den lokalen Kontext angepasste Berufsausbildung lernen sie, sich und ihre Familie zu versorgen. Die Frauen schließen sich nach dem Programm häufig in kleinen Unternehmen zusammen und gründen Kredit- und Spargruppen, um sich gegenseitig finanziell abzusichern. Die Module zu Gesundheit, Hygiene und Wohlbefinden schließen Themen der physischen und mentalen Gesundheit sowie der Familienplanung mit ein, was für die (körperliche) Selbstbestimmung der Frauen von enormer Bedeutung ist. Außerdem lernen die Frauen ihre Rechte kennen und erfahren, wie sie an der Entscheidungsfindung in ihren Gemeinden mitwirken und so die Zukunft von sich und ihren Töchtern aktiv gestalten können.
4. Krieg, Verlust, Gewalt und Vertreibung, die Frauen sind traumatisiert. Wie schafft ihr es, in einer solchen Situation Vertrauen aufzubauen?
Für viele Frauen ist vor allem der Austausch mit anderen Frauen und das Bewusstsein, dass jemand an sie glaubt und in ihre Stärke investiert, ein unglaubliches Gefühl. Häufig erfahren die Frauen durch ihre Nachbarinnen oder unsere nationalen Teams vor Ort von dem Programm und bewerben sich bei uns. Die jahrelange Erfahrung unserer lokalen Trainer:innen sowie die Vernetzung mit so vielen anderen Frauen, die oft ähnliches Leid erlebt haben, macht Mut und schafft Vertrauen. Sie fühlen sich in den Klassen nicht mehr allein, und unser geschultes Personal geht natürlich auch auf die speziellen Bedürfnisse und Erfahrungen der Frauen in den einzelnen Länderkontexten ein. Wir haben außerdem ein großes Netzwerk an Partnerorganisationen vor Ort, mit denen wir die Frauen bei speziellen Problemen und Bedarfen zusammenbringen können.
5. Als NGO seht ihr vor Ort viel Elend und Not, wie gehen eure Mitarbeiter (oder du) persönlich damit um?
Ich hatte bisher leider noch nicht die Chance, in eines unserer Projektländer zu reisen und die Programme mit eigenen Augen zu sehen. Meine Kolleg:innen schwärmen jedoch ausnahmslos von dem Durchhaltevermögen und der Kraft, die von den Frauen ausgeht. Sie stecken nicht den Kopf in den Sand, sondern nehmen ihr Schicksal selbst in die Hand. Das motiviert unfassbar und für mich persönlich ist die Arbeit wie eine tägliche Erinnerung daran, wie gut es uns geht. Man hört häufiger Geschichten der Solidarität und Mitmenschlichkeit aus unseren Projektländern, als man meinen könnte – wo Menschen wenig haben, wird dennoch viel gegeben. Letztes Jahr, als die Pandemie in Nigeria gerade ein neues Ausmaß erreicht hatte, haben einige unserer Programmabsolventinnen zum Beispiel einen Teil ihres Ersparten an Witwen in ihren Gemeinden abgegeben, die besonders unter dem Einkommenswegfall durch den Lockdown gelitten hatten.
6. In wie viel Ländern ist Woman for Woman International tätig und wie viel Frauen habt ihr weltweit geholfen?
Wir arbeiten derzeit in acht Projektländern: Südsudan, Nigeria, Afghanistan, Irak, Demokratische Republik Kongo, Ruanda, Bosnien und Herzegowina, und Kosovo sowie mit Partnern in Syrien. Seit unserer Gründung haben wir bereits über eine halbe Million Frauen erreicht, und es kommen tagtäglich mehr dazu! Über unser Men’s Engagement Programm arbeiten wir seit 2017 übrigens auch mit Männern: In speziellen Trainings laden wir männliche Entscheidungsträger, religiöse Führungspersönlichkeiten und Ehemänner dazu sein, patriarchalische Strukturen zu hinterfragen, und in mehr Geschlechtergerechtigkeit keine Bedrohung, sondern eine positive Wirkung für ihre gesamte Gemeinde zu sehen. Diese Schulungen sollen bereits in Afghanistan, Nigeria und im Irak einen kleinen Schritt hin zum gesamtgesellschaftlichen Wandel beitragen.
7. Wie können unsere Leser:innen eure Arbeit unterstützen?
Man kann unsere Arbeit auf vielfältige Weise unterstützen. Zum einen gibt es die Möglichkeit, eine Patenschaft mit einer Sister – so nennen wir die Frauen in unseren Programmen – in einem unserer von Konflikt betroffenen Projektländer abzuschließen. Dabei begleitet man eine Sister für 29€ im Monat ein Jahr lang durch ihr lebensveränderndes Schulungsprogramm. Die Patenschaft, bei der Sponsor:innen stets wissen, welche Schulungen ihre Sister gerade abgeschlossen hat, schafft eine sehr persönliche Verbindung zwischen Sponsor:in und Sister und man kann sogar Briefe austauschen.
Außerdem helfen Spenden uns dabei, unsere Arbeit fortzusetzen, sei es eine monatliche Spende, oder einmalig – jeder Beitrag hilft. Das Teilen unserer Beiträge in den sozialen Medien sowie unseres Newsletters hilft uns, unsere Mission an noch mehr Menschen heranzutragen – also spread the word!
Und wir sind natürlich auch immer auf der Suche nach Freiwilligen, die uns ihre Zeit schenken! Wir haben einen Volunteer Pool von mittlerweile rund 100 engagierten Menschen, die uns beim Übersetzen von Briefen und Geschichten aus den Ländern helfen. Mit so einer Resonanz hätten wir nie gerechnet und wir sind sehr dankbar über jede helfende Hand.
Du möchtest weiblichen Kriegsüberlebenden dabei helfen, dass sie sich ein neues Leben aufzubauen? Dann besuche die Women for Women International Website. Hier findest du alle Informationen zu dem Thema.
Nur Morgen am Weltfrauentag: Unterstütze Women for Women International