„Don’t cry for Me Argentina“

„Don’t cry for Me Argentina“ - Diesen Satz hat Evita Perón niemals gesagt und doch hat diese Strophe aus dem Andrew Lloyd Webber Musical „Evita“ Argentinien weltberühmt gemacht. Buenos Aires, ist wie Evita Peron - sie polarisiert. Ich lande an einem Wochenende und es ist Ferienzeit und allein vom Geräuschpegel fühlt sich die argentinische Hauptstadt nicht wie eine 16,7 Millionen Metropole an. Die Luft riecht gut „bueno“ – europäisch vertraut und nach dem Rummel in Rio bin ich dankbar für ein wenig Stille. Das Hotel Palacio Duhau liegt in Recoleta – einem der besseren Stadtviertel und bildet eine perfekte Brücke zwischen modern und den längst vergangen prächtigen, ruhmreichen Tagen der 30iger Jahre in Buenos Aires. In dem dunkel getäfelten Kaminzimmer des Hotels falle ich in einen tiefen Schlaf.

Am nächsten Morgen steht ein strammes Programm auf dem Plan: Acht Stunden Sightseeing mit Reiseführer Mario Braun. Mario ist deutschstämmig – sein Vater ist mit seiner Familie ausgewandert, um in Südamerika sein Glück zu machen. In Buenos Aires gibt es ganze Straßenzüge von Zuwanderern. Das italienische Viertel bildet wohl den Mammut-Anteil an Immigranten und nicht umsonst genießt BA den Ruf der wohl europäischten Stadt Südamerikas. Unser erster Stopp ist der Friedhof Cementario La Recoleta; ähnlich wie der Père-Lachaise in Paris, haben hier die bedeutenden Familien der Stadt ihre Grabkapellen erbaut – heute gelten sie als die teuersten Immobilen der Stadt. Auch Evita Perón‘s Leichnam hat hier nach einer 7-jährigen Odyssee quer durch Europa ihre letzte Ruhestätte unter schwerem Beton im Familiengrab gefunden.

Sie ist und bleibt ein Mythos für diese wirtschaftlich und politisch stark gebeutelte Stadt und ihr Antlitz spiegelt sich an jedem Souvenirstand. Auf Che Guevara – den Held meiner Kindheit, treffe ich kaum dieser Tage, dafür ist Evita mit ihrem Konterfei auf der Straße des 7. Juli’s omnipräsent. Auch Messi sehe ich als überlebensgroße Pappmaché Figur vor Cafés stehen, gefolgt von Tango-Legende Carlo Gardel. Das sind die Ikonen der Stadt – ein buntes Sammelsurium an Persönlichkeiten, die einen interessanten Querschnitt der Bevölkerung dieser zweitgrößten Stadt Südamerikas symbolisieren.

Ich lasse mich treiben und tauche mit Mario tief in die Geschichte Buenos Aires ein: ich bewundere die eklektische, europäische Architektur, die verhältnismäßig schlichte katholische Kathedrale mit Jakob und Josef unter der Dachfassade, den faschistischen Bau der Zentralbank und den klassizistischen Bau des Regierungspalastes, von dessen Balkon die Peróns ihre mitreißenden politischen Manifeste verkündet haben. All das sehe ich auf nur einem einzigen Platz; dem Plaza de Mayo. Dort sehe ich aber auch die marschierenden Mütter „madres de plaza de mayo“, die hier von 1977 – 85 um den Obelisken marschierend, die Namen ihrer verschwunden Söhne auf Transparente vor sich hertrugen, sehe die Einschusslöcher an den Gebäuden als mahnendes Relikt der vielen Putsche der jeweiligen Regierung. Es ist ein politisch kompliziertes System aus peronistischem Filz, Korruption und mächtigen Militär. In Deutschland undenkbar, dass eine Vizepräsidentin, wie Kristina Kirschner, die nachweislich in 17 Fällen der Korruption verwickelt ist, noch in Amt und Würden wäre. In Argentinien ist vieles möglich, wenn man nur weiß, wie! Fährt man durch die Stadt, durch das gut situierte Palermo oder das bunte Hafenviertel Boca, sieht man der Stadt ihre wirtschaftliche Not nicht an. Aber schon gleich hinter den schönen Fassaden befinden sich ganze Viertel im Verfall. Favelas gibt es nicht nur in Rio – auch in BA gibt es Armenviertel – hier heißen sie Villa 31 (Villa Miseria) und sie befinden sich mitten in der Stadt, am Bahnhofsviertel Retiro und mit ihren zusammengezimmerten Containern-Wellblech-Bauten wirken sie, wie ein futuristischer Fremdkörper aus einem Mad Max Film.

Ein Wort gilt hier nichts und viele Europäer, die hier leben und Geschäfte machen, überlegen, ihre Zelte abzubrechen – zu kompliziert und aussichtslos ist die politische Lage. Auf die Frage, wie sie die Mentalität der Argentinier beschreiben würden, bekomme ich folgende Antwort: „Der Argentinier ist ein spanisch sprechender Italiener, der gern ein Engländer sein möchte“.

Es stimmt mich traurig, dass ein Land mit so viel Potential und Ressourcen wirtschaftlich und kulturell weit unter seinen Möglichkeiten bleibt, 30 Prozent der Menschen unterhalb der Armutsgrenze leben oder noch immer politisch „beäugt“ werden. Das Kriegsministerium ist das wohl größte und furchterregendste Gebäude, das ich je gesehen habe. Nicht weit davon entfernt: Gräber von den Opfern aus den unterirdischen Konzentrationslagern, die unter einer Brücke, wie unter den Teppich des Vergessens gekehrt wurden, verursachen mir Gänsehaut.

Buenos Aires war lange ein Sehnsuchtsort von mir aber ich wusste, dass mich hier nicht nur Schönes erwartet. Als ich auf Instagram eine Tango-Sequenz poste, schrieb mir eine Bekannte: Argentinien steht Dir und die Menschen sind wie Du; immer leicht melancholisch. Buenos Aires hat eine schöne Schale mit einem zersplitterten Kern. Vielleicht ist das unsere Schnittmenge? Keine andere Stadt hat mich mit ihrer ambivalenten Geschichte, eklektischen Gebäuden oder schönen Cafès so aufgewühlt, wie Buenos Aires; dabei sind die Menschen nicht mal besonders freundlich. Im Gegenteil, es wird ihnen eine gewisse Arroganz nachgesagt und der Rest Südamerikas fragt sich, mit welcher Berechtigung?

Mein Kopf brummt, weil sich vieles einfach nicht verstehen lässt, zum Beispiel, warum so viele Nazis hier so lange Unterschlupf fanden. Berühmtester Fall ist wohl der von Adolf Eichmann, der unter falschen Namen lange Jahre als einfacher Mechaniker bei Mercedes Benz arbeitete und gänzlich unbehelligt in einem Vorort lebte, bis er 1960 endlich enttarnt und nach Israel entführt wurde.

Es zwingt sich ein tiefer und sehr selbstkritischer Blick auf unsere Geschichte auf und ich bin froh über einen Ausflug ins Landesinnere, um den trüben Gedanken ein wenig Luft zum Atmen zu lassen. Wir fahren nach San Antonio De Areco und besuchen ein kleines Museum für Gaucho-Kultur. Ich fühle mich, wie in einem Westerndorf aus „Rauchende Colts“ und freue mich jetzt, wie ein kleines Kind auf’s Reiten und einem schönen Asado (Grill-Fest) unter den großen Platanen einer malerisch- weitläufigen Estanzia.

 

Gern wäre ich noch ein wenig länger geblieben, aber wir müssen zurück in die Stadt – ich habe einen Tango-Kurs im Armenischen Kulturhaus gebucht und bin ziemlich aufgeregt, was mich dort erwartet. Ich liebe diesen elegant-erotischen Tanz, in dem der Mann stets führt und seine Partnerin nur mit subtilen Augenkontakt auffordert. Für viele Argentinier ist dieser Tanz Ausdruck der eigenen Identität und gleichzeitig eine Reise in die Vergangenheit. In ihren Liedern geht es um Leidenschaft, enttäuschte Liebe, Heimweh Traurigkeit und Schmerz. In den Tango-Salons – „Melongas“ - kann jeder für kleines Geld Tango lernen. Und so wage auch ich mich aufs Parkett und versuche den sieben Grundschritte des Tangos Bedeutung zu verleihen. Was so einfach aussieht, ist hoch kompliziert und meine Beine verheddern sich, wie lose Maschen auf einer Stricknadel in den Beinen meines Partners. Es hilft natürlich nicht, dass auch er ein blutiger Anfänger ist. Wir wechseln immer wieder Partner, aber es wird nicht besser und ich sehe es schließlich ein: für den Tango muss Frau sich führen lassen und nie hätte ich gedacht, dass ich dafür völlig ungeeignet bin.

Tief in Gedanken steige ich am nächsten Tag in den Flieger Richtung Uruguay/Punta Del Este: Ein paar Strand-Tage bei Freunden genießen und den südamerikanischen Jet-Set beobachten; einer Melange aus argentinischen Polo-Spielern, skandinavischen Models und französischen Wissenschaftlern (größter Klatsch und Aufreger im Urlaubsdomizil: Lieblingsautor Mario Vargas Llosa hat seine langjährige Gefährtin für eine 25-jahre jüngere Frau verlassen).

Punta gilt als Steuer-Oase und Geld-Waschanlage für Immobilien-Spekulanten und verspiegelte, häßliche Wolkenkratzer zieren die Strandpromenade. Ich halte mich lieber an den kilometerlangen weißen Sand-Strand, der mich an eine Mischung aus Sylt und den Hamptons erinnert. In José Ignacio, etwa 20 Minuten von Punta Del Este entfernt, finde ich es sogar ganz zauberhaft. Hier stehen wunderschöne kleine Häuschen und dieser Ort hat seine ganz eigene Aura. In der Surfschule „Surfing in Uruguay“ treffe ich einen Hamburger, der ausgewandert ist und Robert, einen Ex-Banker, der sich mit „Ayana“- einem wunderschön designten Boutique Hotel seinen Lebenstraum erfüllt hat. Die kleinen Boutiquen in José Ignacio sind sehr individuell mit viel liebevoller Handarbeit. Mehr Nachhaltigkeit geht nicht (siehe auch „Uruguay“ in den Highlights auf Instagram)

Meine Antonia Bluse ist so blau, wie das Meer und im „La Huella“ – dem kulinarischen Hot Spot des Ortes, werde ich wohl 100 Mal auf sie angesprochen. Fashion verbindet und schon bin ich im Austausch – wir machen Fotos und tauschen Accounts aus. Ach hätte ich doch bloß ein paar Blusen mehr in den Koffer gepackt! Viel zu schnell vergehen diese letzten Tage am Meer und als ich endlich zur Ruhe komme, geht es auch schon wieder Richtung Heimat. Mit vielen neuen Eindrücken und ein paar sehr lieben südamerikanischen Followern mehr im Gepäck.


 Tipps Buenos Aires

Im Süden – im drei-Länder-Eck: Uruguay, Brasilien und Argentinien liegt eins der sieben Weltwunder: die fantastischen Wasserfälle von Iguassu. Ein Zwischen Stop lohnt sich: Stundenlang kann man sich in dem Rauschen der gewaltigen Wassermengen verlieren. Zu empfehlen ist das Belmond Hotel de Cataratas. Mitten in einem Naturschutzgebiet und umgeben vom Regenwald erinnert dieses Hotel im Kolonialstil an längst vergangene Zeiten. Und zum Sunset sind die Wasserfälle in Sichtweite. Im Park leben Geparden und Panther. ich habe diesmal leider keine gespottet, aber das Hotelpersonal konnte in den schillerndsten Farben von ihnen berichten.

- Hotel Palacio Duhau (Park Hyatt)

- Boutique Hotel in Recoleta – Hub Poteño

- In Buenos Aires gibt es an jeder Ecke gute Fleischrestaurants und es fällt schwer nicht mal ein gutes Steak zu essen. Trotzdem gibt es auch ein hervorragendes vegetarisches Restaurant Sacro. Andere: Orilla, iLatina, Casa Cavia (mit schönem Patio)

- In Palermo BE Jardin Escondido (con FF Coppola)

- Best Designer Shops: Tramando, Perez Sans

- Weltberühmter Buchladen: Alteneo Spendido

- Reiten in Uruguay: Haras Godiva

- Unseren Führer Mario Braun kann man googeln und Berner Travels organisiert gern eine komplette Tour und haben einen tollen Service


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