Bei Cannabis denkt jeder sofort an Joints. Tatsächlich ist die Cannabispflanze eine jahrhundertalte Kulturpflanze, die gerade ihr Comeback in der Medizin feiert, weil ihre Wirkstoffe auch bei verschiedenen gesundheitlichen Beschwerden positiv wirken. Mario Eimuth ist von der Mode in die Pharmazie gewechselt und produziert jetzt Produkte, die Cannabis enthalten. Im Interview spricht er über die medizinischen Chancen und welche Möglichkeiten Cannabis bietet.
Mario Eimuth, Du hast einst das Fashion-Luxusportal Stylepop gegründet. Und es dann erfolgreich verkauft, um 2018 Pharmaunternehmer zu werden. Mit deinem Startup ADREXpharma setzt Du ganz auf Cannabis als Alternativ-Therapeutikum. Vor allem CBD ist inzwischen groß in Mode: Jeder spricht drüber, aber nur wenige wissen, was CBD ist. Oder was es kann. Also: Wodurch zeichnet sich CBD aus, und wie unterscheidet es sich von medizinischem Cannabis?
CBD steht für Cannabidiol und ist neben THC der therapeutisch bedeutendste Cannbinoid-Wirkstoff in der Cannabispflanze. Der entscheidende Unterschied zu THC: CBD ist nicht psychoaktiv und somit kein Betäubungsmittel. Generell können sich diese Haupt-Wirkstoffe der Cannabispflanze in diversen Anwendungsgebieten ergänzen. Studien haben aber auch gezeigt, dass CBD sich wie ein Gegenspieler zum THC verhält, dessen Rausch-Wirkung also mindert. Persönlich werte ich das übrigens als Vorteil.
Ist CBD ein reines Gesundheits- oder auch ein Lifestyle-Produkt?
Vor allem in Nordamerika boomt eine echte CBD-Lifestyle-Industrie. Cannabidiol findet man in Getränken, Gummibärchen und in einer Vielzahl von Kosmetikprodukten. Manche Dosierungseinheiten erscheinen mir allerdings auffällig niedrig, ich sehe den Nutzen teilweise eher zweifelhaft. Ob es sich da mehr um Marketingaktionen als um seriöse Produkte handelt, müsste man von Einzelfall zu Einzelfall klären.
Welches therapeutische Potenzial wird CBD denn grundsätzlich zugeschrieben?
Sowohl in Studien als auch in der medizinischen Verschreibung zeigt CBD eindeutig antibakterielle, anti-entzündliche und entkrampfende Eigenschaften. Das legt als Anwendungsgebiete entzündliche Hauterkrankungen, Allergien, Schmerzen, Schlafstörungen, Stressreduktion bis hin zu Angststörungen (Klaustrophobie, Flugangst, Lampenfieber) sowie Epilepsie nahe. An vielen weiteren Therapie-Optionen wird in weltweit über 640 Studien geforscht.
Du entwickelst in Deinem Unternehmen außer Apotheken-Arzneimitteln selbst CBD-Lifestyle-Produkte, darunter eine Hautlotion, ein Sportgel und Aromaöle zur Entspannung. Was macht die so besonders?
Dazu schicke ich vorweg, dass es unsere Unternehmensphilosophie ist, ausschließlich ganzheitlich ausgerichtete Produkte aus natürlichen Inhaltsstoffen zu entwickeln. Für die Produktion halten wir uns an strengste internationale Qualitätsstandards. Unsere Hautlotion ist ebenso wie das Cooling Gel frei von Farbstoffen, Parabenen, Silikonen, Mineralöl-Derivaten, Phosphaten, Sulfaten und Formaldehyden, und auf synthetische Duftstoffe verzichten wir natürlich ebenfalls. Vielleicht ist unsere Hautlotion Adrexolin deshalb so gut verträglich. Viele verwenden sie sogar als beruhigende Gesichtspflege, andere melden uns zurück, dass sie Akne und Rötungen reduziert und die Hautbarriere allgemein profitiert: Sogar im Winter wirkt sie einer schnellen Austrocknung der Haut entgegen, und bei milden Rosacea-Ausbrüchen hat sie ebenfalls beruhigende Wirkung gezeigt. Die in vielen Studien erwiesenen, anti-entzündlichen und antioxidativen CBD-Eigenschaften pflegen die Haut also offensichtlich in vielerlei Hinsicht.
Dein jüngstes Baby ist ein kühlendes Sportgel für eine ganz eigene Zielgruppe, es soll besonders gegen Verspannungen wirken.
Gerade jetzt finde ich es wichtig, dass Geist und Körper auf natürliche Weise in Balance bleiben. Darum war es uns wichtig, ein Produkt mit erkennbarem Mehrwert zu entwickeln, das für sofortiges Wohlbefinden vieler Menschen sorgt, ob beim Sport oder während der Arbeit. Rund um einen 20%-igen CBD-Kern haben wir zehn Bio-Pflanzenstoffe eingebunden, die man für ihre Eigenschaften von kühlend bis pflegend kennt: darunter Menthol, Teufelskrallenextrakt, Aloe Vera, Pfefferminzöl und Rotalge. So kann die natürlich Wirkstoff-Kombination des CBD-Gels verspannte Muskelregionen zugleich kühlen und durchbluten. Grade jetzt, wo viele Leute mit ergonomisch ungenügenden Lösungen im Homeoffice sitzen oder beim Sport keine professionelle Anleitung mehr haben, passt unser Gel also hervorragend. Mein Tipp: Es wirkt auch bei Kopfschmerzen angenehm – mit einem Frische-Klecks auf Schläfen und Nacken massiert man sogar Migräne etwas weg.
Welche zukünftigen Anwendungsgebiete siehst Du für Cannabis-Produkte?
Ich bin kein Wissenschaftler, daher kann ich nur kurz die derzeit vielversprechenden Forschungsansätze skizzieren. Sie betreffen neben chronischen Hauterkrankungen zum Beispiel Indikationen wie Allergien, Autoimmunerkrankungen, Alzheimer, Asthma, Drogenabhängigkeit und Entzug oder Demenz.
Werden Cannabis-Produkte inzwischen also weniger problematisch wahrgenommen? Oder ist die Akzeptanz bei näherer Betrachtung vielleicht gar nicht so ausgeprägt, wie es den Anschein hat?
Mit jedem Jahr wächst die Akzeptanz weltweit. Das liegt zum einen sicher auch daran, dass Betroffene aus dem Freundes-und Bekanntenkreis glaubwürdig von ihren Erfahrungen mit CBD oder mit verschriebenen Cannabis-Therapien erzählen. Zum anderen spiegelt sich das in der internationalen Gesetzgebung und medizinalen Öffnung von immer mehr Staaten wider.
Wer oder was steht dem großen Durchbruch von Cannabis-Produkten dann noch im Weg?
Die traditionelle Pharmabranche im Allgemeinen war bislang wahrscheinlich nicht der größte Fürsprecher für Cannabisprodukte. Aber inzwischen bröckeln selbst da die Barrieren. Seit immer mehr internationale Firmen auf den Markt drängen, wird aus der Nische ein interessanter Wachstumsmarkt. So entwickelt in Deutschland seit neuestem die Pharmagröße STADA erstmals eigene Produkte und schult seinen ärztlichen Außendienst. Und wenn dann europaweit die Politik mitzieht, wird endlich auch die Zurückhaltung bei Ärzten, Krankenkassen und Apothekern aufweichen.
Eine letzte Frage zur Nachhaltigkeit: Hat Cannabis einen „grünen Touch“, ist der Markt für CBD- und medizinische Cannabis-Produkte also ökologisch wertvoll?
Tatsächlich speichert die Pflanze enorme Mengen an CO2, ist sehr anspruchslos hinsichtlich der Böden und Anbaubedingungen und kann bis zu viermal im Jahr geerntet werden. Die meisten Bäume brauchen 30 Jahre, um als ausgewachsene CO2-Speicher zu fungieren. Es wäre daher sicherlich ökonomisch und ökologisch sinnvoll, sich mit diesem Thema intensiv auseinander zu setzen.