Knuths Lost & Found Dezember 36

 

Knuth hatte geplant, seinen Jahresrückblick selbst zu schreiben, aber aus Zeitmangel entschied er sich dafür, dass eine künstliche Intelligenz seine neue Kolumne Lost & Found teilweise mit verfassen sollte. In diesem Artikel kannst du nun nachlesen, welche Fähigkeiten der digitale Ghostwriter besitzt und welche nicht. Zusätzlich präsentiert Knuth seine fünf besten Kulturtipps aus dem Jahr 2022. Wir wünschen dir viel Spaß beim Lesen.

#NoBrainer

Dezember 2022

 

... Knuth stand in der Schlange an der Kasse und war in Gedanken versunken, als der Scanner piepte und klingelte. Das vergangene Jahr war ein schwieriges Jahr gewesen, voller Kriege, Naturkatastrophen und politischer Unruhen. Der Krieg in der Ukraine hatte unzähligen Menschen Leid und Vertreibung gebracht, und der heiße Sommer hatte Rekordtemperaturen und Dürre mit sich gebracht. Die Energiepreise waren in die Höhe geschnellt und belasteten die Haushalte und Unternehmen.

Trotz alledem gab es auch Momente der Freude und Hoffnung. Die Fußballweltmeisterschaft in Katar hatte die Welt zusammengeführt, und Fans aus allen Ländern kamen zusammen, um ihre Mannschaften anzufeuern. Und im Iran hatte es Demonstrationen und Proteste gegeben, bei denen die Menschen für ihre Rechte und Freiheiten eintraten.

Als Knuth seine Einkäufe bezahlte, verließ er den Supermarkt mit einem neuen Gefühl der Wertschätzung für den gegenwärtigen Moment und der Entschlossenheit, aus jedem Tag das Beste zu machen. Insgesamt war Knuth ein widerstandsfähiger und optimistischer Mann, der selbst inmitten schwieriger Umstände immer einen Weg fand, das Positive zu sehen...

Was du eben gelesen hast, hat eine künstliche Intelligenz (KI) für mich verfasst. Ich habe den Text ein wenig gekürzt und umgeschrieben. Es war der pure Zeitmangel, dass ich mich dazu entschieden hatte, eine KI zu nutzen. In meinem Fall wählte ich die KI ChatGPT von der Tech-Organisation OpenAI aus. Sie ist der neue Star am KI-Himmel. Seit ChatGPT vor ein paar Monaten online ging, überschlugen sich die Technikexperten vor Begeisterung. Angeblich ist es die erste KI, die Nutzern das Gefühl gibt, dass sie mit einem echten Menschen chatten würden. Als ich das las, dachte ich, dass ist großartig, dann kann dieser Superschlaumeier gleich meinen Jahresrückblick schreiben. Die Anmeldung bei OpenAI war kinderleicht. Sofort fing ich an, die KI mit Namen und Ereignissen zu füttern, die mich 2022 besonders berührt hatten. Es war ein turbulentes Jahr und ich musste mich auf das wesentliche konzentrieren. Außerdem verlangte ich, dass meine Geschichte mit mir an einer Supermarktkasse beginnen sollte. Das Ergebnis war nicht schlimm. Es las sich aber sehr nüchtern, als würde Karl Lauterbach in einem Server sitzen und die Texte schreiben. Dass die KI mich für einen widerstandsfähigen und optimistischen Mann hielt, fand ich sehr nett. Der Ton erinnerte mich aber an ein Horoskop in einer Frauenzeitschrift. Meiner Meinung nach könnte der Text mehr Witz und Emotionen haben. Kurz gesagt: Mir fehlte Schönheit.

KI soll menschliche Intelligenz imitieren und ist im Grunde nichts anderes als eine Ansammlung von vielen Algorithmen, die wiederum viele Anweisungen sind. Dazu muss sie schnell und präzise große Mengen an Daten verarbeiten. Die Idee ist, dass sie uns Menschen hilft, unseren Alltag zu meistern. Tatsächlich ist KI nicht mehr aus unserem Leben wegzudenken. Sie wird heutzutage in fast allen Lebensbereichen eingesetzt. Wie wir Menschen es allein aus der Höhle herausgeschafft haben, kann ich mir heute gar nicht mehr vorstellen. Aber die moderne Welt scheint uns so zu überfordern, dass wir Hilfe brauchen. Heute regelt KI den Straßenverkehr, verschickt Mails, schlägt uns Produkte vor, kauft ein, lenkt Fahrzeuge, steuert Börsenkurse, überwacht unsere Gesundheit, prüft Versicherungsverträge und wir unterhalten uns mit KI, so wie ich es in diesem Fall mit ChatGPT gemacht habe.

Das die KI so wenig Leidenschaft beim Texten zeigt, liegt daran, dass sie pragmatische und objektive Ergebnisse liefern soll. Niemand soll sich aufregen. Aber ich wollte mehr Gefühl und erlaubte mir einen Trick, in dem ich ChatGPT bat, so zu schreiben, wie es der US-Rapper Kanye West tun würde. Für mein Culture-Clash-Experiment wählte ich ein paar Sätze aus der Zeitenwende-Rede von Olaf Scholz aus. Ja, ich weiß, Kanye ist peinlich. Er hat in diesem Jahr sehr viel Blödsinn gesabbelt, aber er hat definitiv mehr Wortwitz als Olaf. Das Spielkind in mir freute sich auf das Ergebnis. Nicht mal zwei Atemzüge brauchte die KI dafür und sie war fertig.

...Das ist eine neue Ära Leute! Die Welt hat sich verändert! Wir können nicht mehr so weitermachen wie bisher. Die Frage, die sich jeder stellen muss, ist, ob die Stärke das Recht besiegen kann, ob wir zulassen, dass Putin die Zeit in die Tage der Imperien und Kriegstreiber zurückdreht, oder ob wir die Kraft in uns selbst finden, uns gegen Tyrannen wie ihn zu behaupten. Dies ist unser Moment, um zu erstrahlen, um für unsere Freiheit, unsere Demokratie und unseren Wohlstand zu kämpfen. Wir werden nicht nachgeben! Wir werden nicht zum Schweigen gebracht werden! Es ist an der Zeit, der Geschichte unseren Stempel aufzudrücken!...

Das Kanye-West-Olaf-Scholz-Mischmasch ist jetzt kein KI-Doppelwumms. Sie klingt wie ein guter Werbetext. Vielleicht liegt es auch daran, dass der Rapper nur noch in Slogans spricht, als sei er eine menschgewordene Dauerwerbesendung.

Ich selbst bin immer ein wenig skeptisch, wenn es einen neuen Chatbot gibt, weil die meisten KI-Chat-Anwendungen in diesem Bereich nichts anderes machen, als das nachzuplappern, was im Internet steht. Daher überschätze ich KI auch nicht, denn sie ist immer nur so gut wie die Programmierer, die sie entwickelt haben. Meistens sind es – weiße – Männer aus der Mittelschicht, die an Effizienz und Leistung glauben. Kühle Techniker, die alles im Leben von der menschlichen Seele bis zum Küchenmixer durchoptimieren wollen. KI ist alles andere als neutral und objektiv. Sie ist auch immer ein Spiegelbild der Gesellschaft. So gab es viele Fälle in den USA, wo People of Color von KI diskriminiert wurden.

Als nächste Aufgabe sollte die KI Frauen huldigen, die 2022 die Nachrichten bestimmten. Ich tippte wieder ein paar Namen ein. Ich stellte mir eine Hymne im Stil der US-Sängerin Taylor Swift vor. Bei den American Music Awards 2022 hatte sie sechs Auszeichnungen gewonnen. Sie schien mir perfekt als Vorbild. Kaum hatte ich den Namen des Popstars mit eingeben, da legte die KI auch schon los. Ein wenig war ich über die Antwort verblüfft. Der Songtext versprüht Pathos und ist kämpferisch. Ich stellte mir Taylor Swift vor, wie sie auf einer Stadionbühne mitten in einem lila Flammenmeer steht, das Publikum hysterisch jubelt, sich tausende Mobiltelefone in der Luft zum Rhythmus bewegen und jede Strophe mitsingen.

 ...We stand with these women, we stand with them tall

We're grateful for their courage, and for standing up for us all

We'll follow in their footsteps, and make the world a better place

With these women by our side, we'll win the race

 

These women are our heroes, they inspire us to be strong

They lead with grace and wisdom, they don't let anything go wrong

We raise our hands in honor, of the women of 2022

They light the way for all of us, they are the shining stars we knew they would be...

Genug Jahresrückblick 2022. Mich interessiert die Zukunft. Ich frage die KI wie das neue Jahr 2023 wird. Ihre Antwort ist sehr ehrlich und ist nichts für Menschen die Gewissheiten brauchen.

 ...Ich kann Ihnen leider keine Aussage darüber machen, wie das Jahr 2023 sein wird, da ich als künstliche Intelligenz nicht in der Lage bin, in die Zukunft zu blicken oder Prognosen abzugeben. Es gibt viele Faktoren, die das kommende Jahr beeinflussen werden...Es ist jedoch wichtig, aufmerksam die aktuellen Ereignisse zu verfolgen und sich auf mögliche Veränderungen einzustellen, um gut auf künftige Herausforderungen vorbereitet zu sein...

Ob mit KI oder ohne KI, es liegt wie immer an unserem Hirnschmalz, wie wir unser Leben gestalten und wie wir miteinander umgehen. Ich habe genug KI gehabt. Ich zieh hier jetzt den Stecker und bin mal offline. Da draußen tobt das Leben. In der Welt ist was los. Das ist wunderbar.

 

 

 


 

Hier sind meine persönlichen Highlights aus Lost & Found 2022

 

***

 

 

Strangers Things


 

Die neuen Episoden sind einfach geil. Ehrlich gesagt, sind es sieben Kinofilme. Geschickt werden verschiedene Orte mit unterschiedlichen Helden und Heldinnen miteinander verwoben und gleichzeitig neue Protagonisten eingeführt. Wieder geht es darum, das Provinznest Hawkins vor Dämonen zu beschützen. Und diesmal haben es die Nerds mit einem mächtigen und fiesen Zauberer zu tun. Ständig hatte ich Flashbacks, weil die Serie in den 80ern Jahren spielt. Gute Unterhaltung und gepflegter Grusel. Ein Meisterwerk.

Strangers Things – 4.Staffel verfügbar auf Netflix

 


 

 

Die Verlockung des Autoritären

 

 

Noch immer bin ich fassungslos: Wie konnten Halunken, wie Trump oder Johnson Wahlen gewinnen? Wieso lassen Polen und Ungarn es zu, dass ihre Freiheitsrechte von korrupten Regierungen eingeschränkt werden? Warum finden Menschen anti-demokratische Herrschaftsformen so toll? Dieser Cocktail aus Nostalgie, Verschwörungstheorien, Fremdenhass, Frauenfeindlichkeit, Homophobie, Nationalismus, Wissenschaftsfeindlichkeit, Antisemitismus und Eliten-Bashing scheint in unsicheren Zeiten vielen zu schmecken. Die Journalistin Anne Applebaum zeichnet ein erschreckendes Bild über die aktuelle Situation westlicher Demokratien. Sie konnte mir viele Fragen beantworten. Wer verstehen will, warum plötzlich Familienmitglieder, Freunde oder Kollegen sich wieder eine „starke Hand“ in der Politik wünschen, die richtig aufräumt, der sollte dieses Buch lesen - wehret den Anfängen.

Die Verlockung des Autoritären – Anne Applebaum, Siedler Verlag, 208 Seiten

 

 


 

 

Multitude

Wir stellen uns vor, in den Tagesthemen würde die Moderatorin einen Sänger zu seinem neuen Album und seinen Suizid-Gedanken interviewen. Statt zu reden, würde er ihr mit einem Lied antworten. So geschehen vor ein paar Wochen auf dem französischen Sender France 2. Dort sang der belgische Sänger Stromae seinen Chanson "L’enfer" (Hölle). Hier beschreibt er seine dunklen Gedanken. Stromae kann aber auch schwere Kost und Gesellschaftskritik fröhlich verpacken. Gerne erinnere mich an seinen Hit „Alors On Danse“ oder wie jetzt auf seiner aktuellen Platte „Santé“, in der er all die Menschen hochleben lässt, die selbst nicht feiern können. Ein faszinierender Künstler. Seine Musik und ganz besonders die Inszenierung seiner Lieder sind sehens- und hörenswert. Alors On Danse!

Multitude  – Stromae verfügbar auf Apple Music und Spotify

 


 

 

Die Erfindung des Jazz im Donbass

 

 

Auf Hermans Visitenkarte steht nur, dass er Experte ist. Ob Glückspiel oder Parteienberatung Hermann versteht sich auf alles. Er schlägt sich so durchs Leben. Eines Tages muss er in den Donbass reisen, um die Geschäfte einer Tankstelle zu regeln, die sein Bruder betreibt, der verschwunden ist. Die Tanke liegt in der ukrainischen Steppe im Nirgendwo zwischen Maisfelder und Industriebrachen. Es beginnt eine schwüle Odyssee mit vielen schrägen Gestalten. Ein Roman, der betrunken und Freude macht. Ich war sehr dankbar für diese Entdeckung in meinem Buchladen. Zhadan ist ein guter Erzähler. Trotz des traurigen Geschehens im Donbass ist es ein gutes Buch für einen Sommer in einer Hängematte.

Die Erfindung des Jazz im Donbass – Serhij Zhadan, 394 Seiten, Suhrkamp Verlag

 


 

 

Elvis

 

 

Meine Mutter besaß gerade mal eine Handvoll Schallplatten. Als Kind gefiel mir nur eine davon. Es war eine Doppel-LP mit den größten Hits von Elvis. Manchmal durfte ich sie auf einen Plattenspieler, in dessen Abdeckung der Lautsprecher verbaut war, spielen. Ich mochte das, was der Kerl da sang. Seitdem bin ich ein Elvis-Fan. Und so konnte ich es kaum erwarten, den neuen Elvis Film zu streamen. Es ist ein knallbuntes und schnelles Rock‘n Roll Märchen geworden, dass wie ein Hiphop-Video inszeniert wurde und aus der Sicht von Elvis Manager Colonel Parker (Genial Tom Hanks) erzählt wird. Beim Zuschauen wurde mir wieder einmal klar, wie geil Popkultur ist und wie viel Elvis dazu beigetragen hat. John Lennon hatte recht, als er sagte: „Vor Elvis war nichts.“

Elvis  – Verfügbar auf Amazon Prime, Sky und Apple TV

 

 

***

Vielen Dank, dass du dir wieder etwas Zeit für mich genommen hast. Ich hoffe, dass du ein gutes Jahr hattest. Ich wünsche dir und deiner Familie ein glückliches neues Jahr. Bleib gesund! Wir sehen uns hier im Februar wieder. Bis bald.

 


 

Knuth ist Gründungsmitglied von SoSUE und unterstützt noch weitere Marken. Er selbst beschreibt seine Arbeit als „irgendwas mit Medien“. Der Hamburger würde am liebsten auf einen Berg mit Strand ziehen. Mehr über Knuth erfahrt ihr auf seiner Website Collideor and Scope.

 

 

 


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