Knuths Lost & Found März 15

 

Am Ende eines Monats schreibt Knuth immer einen Rückblick über Dinge, die bei ihm hängen geblieben sind. Diesmal bekommt er eine E-Mail aus der Zukunft. Hier könnt ihr jetzt nachlesen, über welche Bücher, Filme und Musik er sich im März gefreut hat.

 #Futureshock

März 2021 – Der zweite Seuchenfrühling steht vor der Tür. Es ist wie es ist, dachte ich, ich kann doch nichts ändern. Achselzuckend nahm ich einen Schluck Kaffee und checkte meine E-Mails auf dem Handy. Da ploppte eine neue Mail auf. Sie stammte von mir selbst und war laut Datum am 10. August 2022 versendet worden. War es eine hinterlistige Spam-Mail? Meine Finger waren schneller als mein Nachdenken und tippten auf Öffnen. Tatsächlich, die Nachricht war von mir. Ich begann zu lesen:

Lieber Knuth,

über mir strahlt die Sonne am Himmel, als sei dieser Tag ein Tag aus der Schöpfungsgeschichte. Heute Morgen in der Früh bin ich zu einer Wanderung aufgebrochen. Nun sitze ich auf einer Alm unterhalb des Plattkofel und genieße die Vesper. Ich grüße dich aus Südtirol. Hier ist es immer noch toll, du darfst dich wirklich freuen, aber leider musst du dich noch gedulden. Um es kurz zu machen, es bleibt kompliziert.

Am Ende hat es mit dem Impfen doch noch geklappt. Kurz nach deinem Geburtstag im Oktober, hast du die erste Dosis bekommen. Das beste Geschenk seit langer Zeit. Es wurde auch Zeit. Du wirst wieder Konzerte besuchen und freust dich, dass du den Eingang mit der Aufschrift „Nur für Geimpfte“ benutzen darfst. Der Eingang mit der Schnelltest-Schlange war immer noch sehr lang. Im Zug und im Flugzeug gilt immer noch Maskenpflicht und der digitale EU-Impfausweis hat bei meinem Check-in im Hotel nicht funktioniert. Ein Handyfoto von meinem Impfausweis wollte der sture Hotelier nicht akzeptieren, also musste ich in einer Apotheke noch einen Schnelltest machen. Es ist lockerer, aber es bleibt immer noch bei den Vorsichtsmaßnahmen, egal, ob im Urlaub oder in der Heimat. Wenn ich heute Nachmittag mit der Seilbahn wieder ins Tal fahre, werden die Gondeln nur zu einem Viertel gefüllt sein und wir werden vom Personal immer freundlich ermahnt, dass wir die Fenster auflassen sollen. Ist mir recht, von der frischen Bergluft, kann ich nach den letzten Monaten gar nicht genug bekommen.

Wenn diese Krise ein "Stresstest" war, will ich nicht wissen, wie der Ernstfall aussieht.

Es kommt immer noch zu lokalen Corona-Ausbrüchen, wie letztens an einer Schule, weil sich dort Teile des Lehrerkollegiums nicht impfen lassen wollten. Auf dem Schulhof gab es, sehr zur Freude der Schüler, tumultartige Szenen zwischen Impfgegnern und Befürwortern. Vieles, was wir uns im Lockdown versprochen haben, haben wir schnell wieder vergessen: Die Chefs setzen weiter lieber auf Kontrolle als auf das Homeoffice. Die Schulen murksen weiter vor sich hin. Die Behörden bleiben weiter im Tiefschlaf. Die Liste ist unendlich. Ich mag dich nicht weiter langweilen.

Du willst wissen, ob die Menschen etwas aus der Pandemie gelernt haben? Gegenfrage: Haben Menschen überhaupt jemals etwas aus Katastrophen gelernt? Du wunderst dich doch auch über die tägliche Amnesie. Warum sollte es plötzlich besser werden. Jetzt, wo sich wieder alle in Sicherheit wiegen und so lange auf alles verzichtet haben, beginnt wieder das große Fressen. Wenn diese Krise ein "Stresstest" war, will ich nicht wissen, wie der Ernstfall aussieht. Der Mensch bleibt eben nur ein Mensch. Es scheint hoffnungslos zu sein.

Mehr mag ich dir auch nicht verraten. Ein paar Überraschungen behalte ich für mich, sonst ist es ja langweilig für dich. Du weißt ja, es ist wie ist.

Liebe Grüße aus 2022

Knuth

PS: Noch zwei Dinge, um deine Neugier auf die Probe zu stellen. Erstens, die Bundestagswahl, die rheinische Hüpfburg wird es nicht schaffen. Zweitens, Weihnachten 2021 wird schön.

 ***

Harry und Meghan im Streit mit dem Palast, Affären bei der CDU, Jogi hört auf und der Dieter wurde gefeuert. Fast ein normaler Monat, der für mich wie ein Joseph von Eichendorf Gedicht verlief:

Liebe, wunderschönes Leben

Liebe, wunderschönes Leben,
Willst du wieder mich verführen,
Soll ich wieder Abschied geben
Fleissig ruhigem Studieren?

Offen stehen Fenster, Türen,
Draussen Frühlingsboten schweben,
Lerchen schwirrend sich erheben,
Echo will im Wald sich rühren.

Wohl, da hilft kein Widerstreben,
Tief im Herzen muss ich's spüren:
Liebe, wunderschönes Leben,
Wieder wirst du mich verführen!

Was meinem Herzen und Hirn noch gut tat, könnt ihr hier in meinen März-Tipps nachlesen.

 


 

Kim Jiyoung geboren 1982

 

Kim Jiyoung ist eine kluge und einfache koreanische junge Frau, die gerne ihr Glück in der Welt versuchen möchte. Statt Anerkennung und Respekt erntet sie Demütigung. Warum? Weil sie eine Frau ist. Der Bruder muss nie aufräumen, bekommt das bessere Essen und Kim muss für ihn zurückstecken. Die Familie ist auch keine Hilfe. Sie erwarten von einer Frau nur, dass sie Mutter wird und einen Sohn zur Welt bringt. Eine Geschichte aus dem modernen Korea. Viel Realität, wenig K-Pop und Samsung. Auf dem Klappentext steht: Kim Jiyoung ist wie jede Frau. Dem würde ich zustimmen.

Kim Jiyoung Geboren 1982 – Cho Nam-Joo, Roman, 208 Seiten, Kiepenheuer & Witsch

 


 

Messiah

 

Jesus: „..bricht das Brot.. dies ist mein Leib...“ Deutsche: „..Hm kein Vollkorn... schade.“ Dieser Tweet des Twitter Satirikers El Hotzo beschreibt das Verhältnis der Deutschen zum Messias im Grunde ganz gut. Keine Frage Jesus hätte es heute überall verdammt schwer. Die Netflix Miniserie „Messiah“ spielt mit dem Gedanken, was würde passieren, wenn Jesus wiederkommen würde. Er taucht auf und sorgt für viel Wirbel und gerät ins Visier von Geheimdiensten. Die einen glauben fest daran, dass er der Sohn Gottes ist, andere halten ihn für einen Terroristen. Wer zu Ostern keine Lust auf Sandalenfilme hat, sollte sich diesen spannenden Religionsthriller gönnen.

Messiah – Miniserie, Netflix

 


 

Herbarium

 

Als Kind sammelte ich einen Sommer lang Pflanzen. Ich presste sie und klebte sie in ein Heft und schrieb ihre Namen dazu. Ich kam mir dann immer wie ein Forschungsreisender vor. Rosa Luxemburg, Journalistin, Rednerin, Feministin und Mitgründerin der KPD, liebte auch Pflanzen, denn eigentlich wollte sie Botanikerin werden. Sie sammelte und presste sogar Pflanzen, als sie im Oktober 1918 im Strafgefängnis Breslau einsaß. „Wie liebte ich damals den ganzen Frühling wie im Fieber, wieviel litt ich, wenn ich vor einem neuen Pflänzchen saß und es lange nicht festzustellen und einzureihen wusste“, schrieb sie an einen Freund. Geht mir manchmal auch so, wenn wieder alles anfängt zu blühen.

Herbarium – Rosa Luxemburg, 416 Seiten, Dietz Berlin

 


 

Die Tanzschüler der Pariser Oper

 

Im letzten Jahr im Dezember schrieb ich, dass ich über den Roman „Der Tänzer“ zum Ballett gekommen bin. Nun hatte ich die Chance, mich ein wenig fortzubilden. Eine ARTE-Dokumentation begleitete ein Jahr lang die Tanzschüler der Pariser Oper in ihrem Internat. Packend zu sehen, wie sich Kinder und Jugendliche mit Hingabe abrackern, um eines Tages Solist an der Pariser Oper zu werden. Eine weitere Dokumentation im Anschluss trifft die Protagonisten fünf Jahre später, nach ihrem Abschluss wieder. Binge-Watching garantiert. Bravo!

Die Tanzschüler der Pariser Oper – Doku-Serie, ARTE

 


 

Room 25

 

Über eine Stunde saß ich vor meinem Rechner und schrieb. Bis meine kalten Füße, den Drang verspürten sich zu bewegen. Ich stand auf und suchte nach Musik. Ich bin dann bei „Rainforest“ von NoName hängen geblieben. Cooler Samba gemixt mit Rapp. Klang gut und wurde neugierig. Fatimah Nyeema Warner aka NoName macht lässigen Rap, der wie warme Milch mit Honig ist. Ich kannte sie nicht und entdeckte ihr Debüt Album „Room 25“ aus dem Jahr 2018. Gefiel mir gut. Meine Füße wurden wieder warm.

Room 25 – NoName, YouTube, alternativ auf Spotify und iTunes

Vielen Dank, dass du vorbeigeschaut hast. Ich wünsche dir schöne Ostern. Wir sehen uns im nächsten Monat wieder. Bis bald.

 


 

Knuth Kung Shing Stein ist Gründungsmitglied von SoSUE und unterstützt noch weitere Marken als PR Berater und Content Curator. Er selbst beschreibt seine Arbeit als „irgendwas mit Medien“. Der Hamburger würde am liebsten auf einen Berg mit Strand ziehen. Mehr über Knuth erfahrt ihr auf seiner Website Collideor and Scope.

 

 


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