Elbe 15 - Eine Art Heimaterzählung 3

 

Seit zehn Jahren beherbergt Stefanie Wilke regelmäßig Untermieterinnen und Untermieter. Nicht etwa aus Barmherzigkeit: „Pas du tout!“. Als unfreiwillig Alleinerziehende braucht sie das Geld. Denn leider haben die Eltern ihr kein Friesenhaus auf Sylt vermacht – der Papa hat die Kohle beim Black Jack verballert. Als Vermieterin teilt sie mit Höflingen, blinden Passagieren, Gespenstern und Pionieren die Küche und das Bad. Das Erlebte hat sie kurz und bündig für SoSUE als Serie aufgeschrieben.

 


 

 

Elbe 15 - Eine Art Heimaterzählung 

Von Stefanie Wilke

 

Kapitel 3

 

 

Münchner Kindl mit Plan

Das rosa Zimmer brauchte jetzt viel Durchzug. Und Sandelholz, ich räucherte den antikapitalistischen Widerstand raus aus den vier Wänden. Im Stillen verfluchte ich dabei meine angespannte finanzielle Situation. Trotz drohendem Konto-Crash wollte ich kompromisslos auf die Richtige warten. Es sollte auf jeden Fall eine Studentin sein. Nichtraucherin, Vegetarierin, tierlieb, ordnungsliebend - ein Hohn beim Zustand der Wohnung! - und eher Stubenhocker als Partytier. Meine neue Biete-WG-Zimmer-Annonce auf wg-gesucht.de war zu einer Liste von Ausschlusskriterien geraten. Es hätte nur noch gefehlt, wenn ich geschrieben hätte: Nach 22 Uhr Besuche und duschen verboten. Wer durch mein Inserat nicht bereits abgeschreckt war, wäre zumindest schon mal interessant. Meine Trumpfkarten waren: die Lage, ein eigenes WC, das ruhige Zimmer mit Stuck und Holzdielen und die Wohnküche. Dass hier in den Sommermonaten dank der Balkone der Nachbarn eine Geräuschkulisse wie in Neapel herrschte, würde ich einfach für mich behalten. Ich hatte also meine Hausaufgaben als zukünftig strenge Vermieterin gemacht und wieder die Gästetoilette geschrubbt. Zwei Farbkleckse aus den Spraydosen von Simon ließ ich als Andenken auf dem Dielenboden gewähren.

Helfen möglichst viele Schwämme gegen Keime? 

 

Es meldeten sich genau drei Studentinnen auf das Inserat. Die freundlichen Zeilen von Elisabet, verfasst mit einem vielversprechenden, selbstbewussten Augenzwinkern, stimmten mich positiv. Als ich ihr zwei Tage später die Wohnungstür öffnete, hoffte ich bereits nach fünf Sekunden auf ihre Zusage. Für unseren Hund war die Sache ohnehin geritzt – die sollte es sein!

Elisabet war aus München nach Hamburg gekommen, um Kunstgeschichte zu studieren. Nach einem Intermezzo in einer Psycho-WG, so lautete ihr Resümee, kam sie nun zu uns ins Mädchenpensionat mit Zooanschluss. Hier fielen die Beeinträchtigungen und Neurosen nicht so stark ins Gewicht. Elisabet war ein Hauptgewinn mit Möbeln. Mit ihrer Kombination aus Feinfühligkeit und stark ausgeprägtem Intellekt erinnerte sie mich an Luna Lovegood aus Hogwarts. Unser Neuzugang gehörte wie wir eindeutig in das Haus der Gryffindors. Rasch wurde ich zu einer Bewunderin ihrer Zielstrebigkeit. Ihr kleiner Spleen, Putzschwämme auf dem Rand von Waschbecken zu installieren, um so Keime abzumildern, fiel nicht weiter ins Gewicht. Dafür hatte sie ratzfatz die Namen der vier Meerschweinchen drauf und war spendabel mit ihrem Vorrat an Grünzeug. In den ersten Monaten ernährte sich unsere neue Mitbewohnerin überwiegend von gebratenen Zucchinischeiben. Das überraschte unter unserem Dach jedoch niemanden, denn wir pflegten alle unsere ganz persönlichen Ernährungsstrategien. Meine Töchter aßen strikt vegetarisch, während ich zu dick belegten Käsebroten zurückgekehrt war, was meinem Nervenkostüm sehr gut bekam. Ohne Vorbehalte ernährte sich bei uns nur der Hund. Wir bedauerten es sehr als Elisabet für den Masterstudiengang nach Düsseldorf umzog. Ausgerechnet Düsseldorf. Zum Glück blieb uns Elisabet treu und feierte jedes Silvester mit uns in der Elbchaussee.

 Kapitel 4 demnächst hier auf dem Blog. Nicht verpassen.

 


 

 

Stefanie Wilke wächst auf Sylt am Strand unter Piraten und FKK-Fans auf. Schon als Kind sah sie an der Buhne 16 Prominente „wie Gott sie schuf“. Diese Impressionen trugen möglicherweise dazu bei, dass sie mit Mitte zwanzig als Redakteurin bei der GALA anheuerte, und dort auch Knuth kennenlernte. Seit etwa zehn Jahren schreibt sie Kolumnen über Liebeskummer und Lebenskummer. Immer wieder auch für Sue, die sie bereits kannte, als Sue noch als TV-Reporterin Hollywood-Stars in Cannes interviewte.


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