Knuths Lost & Found November 35

 

In Knuths Nachbarschaft tauchen immer wieder wilde Sperrmüllhaufen auf, von dem die Besitzer denken, dass die Dinge noch jemand gebrauchen kann. Reine Faulheit behauptet unser SoSUE Mann. Mehr dazu in seinem neuen Monatsrückblick Lost & Found mit vielen Tipps. Euch erwartet: eine tolle Dramaserie, ein sehr betrunkener Roman und eine grandiose Jazzsängerin.

#KeinDing

November 2022 – Was würde Gillis Lundgren dazu sagen? Lundgren gilt als Erfinder des Billy Regals. Es kam 1979 auf den Markt und hat sich seitdem über 77 Millionen Mal weltweit verkauft. Seine Idee war, dass jeder seine eigene Bibliothek haben sollte. Ob der Mensch, der das schiefe Billy-Regal in meiner Straße abgestellt hat, auch diese Idee teilt? Ein lustloser Zettel mit der Aufschrift „Zu verschenken“ klebt an einem der Regalbretter. Die Schrift ist verlaufen, als hätte Billy die Nacht durchgeweint. Das windschiefe Designwunder wirkt auf mich wie ein One-Night-Stand, dass dem Besitzer peinlich geworden ist. Ob viele seiner Kumpels so enden? Hygge wird mir bei seinem Anblick nicht.

Vor Jahren begannen die Leute in meinem Viertel damit Dinge, die sie selbst nicht mehr brauchten, auf die Straße zu stellen. Jeder durfte sich bedienen. Damals waren es noch kleine Dinge. Sie waren sauber und die Zu-verschenken-Zettel waren auch liebevoller gestaltet. Tatsächlich war einiges davon brauchbar. Werte, wie Weitergeben statt wegwerfen und benutzen statt besitzen beflügelten einige Haushalte.

Wie es manchmal so im Leben spielt, kann ein sinnvolles Konzept auch missverstanden werden oder für eigene Interessen missbraucht werden. Die Entsorgung von alten Zeugs hat heute viele Nachahmer gefunden. Nur das nicht alles davon noch brauchbar ist und das sich das Erleichtern von Dingen nicht mehr vor der eigenen Haustür stattfindet, sondern jetzt exponierte Stellen mit hoher Fußgängerfrequenz ausgesucht werden. Beliebt sind Parkbänke und Altpapier Container. Manchmal reicht es auch aus, dass jemand irgendwo etwas ablädt. Nur wenige Stunden später haben sich noch andere Dinge dazugesellt.

Mittlerweile sind die Dinge immer größer geworden und ich finde die komplette Konsumhistorie der letzten 30 Jahre auf der Straße wieder: Kochtöpfe, Matratzen, Bilder samt Rahmen, Videokassetten, Spiegel, Kinderwagen, alte Computer, Fernseher, Farben, Kühlschränke, Musikinstrumente, Teppiche, Stühle, Kleidung, Rasenmäher, Reifen, Klositze, Kinderspielzeug, Balkonkästen mit Bepflanzung, Bettwäsche, Rollatoren, Kisten voll Kabel, Schlafzimmerschränke, Drucker und ganze Sofalandschaften versperren jetzt die Wege. Tatsächlich halten immer wieder Leute an. Sie stöbern, begutachten und wenn es ihnen gefällt, nehmen sie es mit. Die Resteverwertung klappt nur bedingt. Vieles davon bleibt liegen und wird von der Stadtreinigung entfernt.

Nach ein paar Regenschauern war der „Klassiker der Aufbewahrung“ zusammengebrochen. Schließlich landete Billy zur Freude der DHL-Fahrer auf einen Müllwagen, denn er stand den Paketboten bei der Anlieferung im Weg.

Wer braucht schon ein kaputtes Regal von Ikea, dass nicht mal neu einen Umzug überlebt? Wer soll so etwas nach Hause transportieren? Vielleicht nehmen die Personen für sich edle Nachhaltigkeitsgedanken in Anspruch. Würden sie ihre Verantwortung ernst nehmen, hätten sie Billy in den Sperrmüll gegeben, wo er fachgerecht beseitigt worden wäre. Der Aufwand muss so enorm für die Besitzer gewesen sein, dass sie sich dazu entschlossen haben, ihr ungeliebtes Eigentum in der Nachbarschaft zu entsorgen. Es ist eine Mischung aus Bequemlichkeit, mangelndem Respekt und Falscheinschätzung über den wirklichen Wert ihrer Dinge, der sie dazu verführt, ihren unmittelbaren Lebensraum zu vermüllen.

In Hamburg gibt es beispielsweise viele Angebote, um seinen alten Krimskrams loszuwerden. Wir haben Recyclinghöfe, Sozialkaufhäuser, Tauschtische für brauchbare Dinge, Kleiderboxen und die Bürger können den Sperrmüll anrufen. Das kann jeder nutzen. Das ist kein Ding der Unmöglichkeit.

 


 

 

Safe

 

 

Katinka (Judith Bohle) und Tom (Carlo Ljubek) arbeiten gemeinsam in einer Praxis für Kinder- und Jugendpsychotherapie. Die Dramaserie von Oscarpreisträgerin Caroline Link zeigt an vier Beispielen, wie hilfreich Psychotherapie sein kann. Da ist die sechsjährige Ronja, die eine emotionale Störung hat oder Sam, der die Schule schwänzt und gewalttätig ist. Über acht Episoden spielt sich die Serie in zwei Behandlungszimmern ab. Obwohl es um viele Gefühle geht, bleiben die beiden Therapeuten immer sachlich. Es gelingt ihnen, dass sich die Patienten und Patientinnen langsam öffnen. Ich habe mich keine Sekunde gelangweilt. Die schauspielerische Leistung, besonders die der Kinder und Jugendlichen, ist unglaublich. Ich war sprachlos. Sehr zu empfehlen.

Safe – Dramaserie verfügbar auf ZDF Neo

 


 

Die Erschöpfung der Frauen

 

 

Die Soziologin Franziska Schutzbach beschreibt die systematische Ausbeutung der Frauen in unserer Gesellschaft. Sie müssen heute Kinder, Küche und Karriere wuppen. Schwächen dürfen sie sich nicht leisten. Dazu kommt noch ein heftiger Optimierungsdruck, denn die tägliche Verausgabung muss mit einem gepflegten Leistungskörper kaschiert werden. Nach der Lektüre wurde ich das Gefühl nicht los, dass es nicht besser geworden ist. Ein Beispiel aus dem Buch: In Aufsatzvergleiche aus den letzten Jahren erfahre ich, dass junge Frauen früher mehr über ihre Berufswünsche geschrieben haben und sich heute viel um Schönheit und Aussehen dreht. Weglächeln lässt sich diese Ausbeutung nicht. Es braucht große politische und soziale Veränderungen. Ein wichtiges Buch.

Die Erschöpfung der Frauen – Franziska Schutzbach, Literaturverlag Droschl, 48 Seiten

 


 

Linger Awile

 

 

Die sinnliche und warme Stimme der erst 23-jährige Jazz-Sängerin Samara Joy ist ein Geschenk. Kein Wunder, dass sie 2019 den Sarah Vaughan International Jazz Vocal Competition gewann. Auf ihrem neuen Album Linger Awhile unternimmt sie einen nostalgischen Streifzug durch bekannte und unbekannte Standards. Junge Jazzsängerin werden immer mit den Größten ihrer Zunft verglichen, das sollte Samara Joy nicht Angst machen. Sie hat es einfach drauf. Unfassbar gute Stimme. Hatte ich das nicht schon geschrieben?

Samara Joy – Linger Awile auf Apple Music und Spotify

 


  

Die Trunkene Fahrt 

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Von diesem Buch bekam ich einen Nikotin- und Alkoholkater. Sommer 1989: Ein dicker Musikkritiker, ein weltberühmter Pianist und ein einfältiger Jurastudent wollen Südtirol erkunden. Sie vertrauen auf einen einheimischen Lehrer, der sie in einem schrottreifen Fiat Panda durch die Berge kutschiert. Das der Mann nur ein Bein hat und alle Sicherheitsgurte entfernt hat, ist eine der vielen skurrilen Merkwürdigkeiten im Buch. Eine Reise von Gasthaus zu Gasthaus mit viel Wein, Bier, Schnaps, Speck, Zigaretten und Bildungsbürgergesprächen. Die vier Besserwisser zu begleiten ist ein großer Lesespaß. Der Kater hat sich gelohnt.

Die Trunkene Fahrt  – Albrecht Selge, Rowohlt, 288 Seiten

 


 

The Crown

 

 

Es ist seltsam, aber ich glaube, das ist mein dritter Beitrag über das englische Königshaus. Vielleicht liegt es daran, dass ich damals als Redaktionsassistent bei der Zeitschrift Gala gearbeitet habe und die komplette Achterbahnfahrt miterlebt habe. Als ich die neue Staffel sah, war ich hingerissen von dem intensiven Storytelling mit seinen vielen Details. Aber aufpassen nicht alles, was gezeigt wird entspricht der Wahrheit. In England war die königliche Familie nicht glücklich über so viel „Fake-History“. Wie immer geht es um die Deutungshoheit und die hat im Moment Netflix. Tolle Staffel, ob wahr oder nicht wahr, perfekt um das Wochenende auf dem Sofa zu verbringen. Diese Familie kann sich kein Drehbuchautor ausdenken.

The Crown – Die neue Staffel ist jetzt auf Netflix verfügbar

 

 ***

Während ich diesen Zeilen schreibe, bin ich schon im nächsten Frühjahr. Meine Arbeit führt einen anderen Kalender, innerlich blühen bei mir schon wieder Kirschblüten, dabei ist der erste Advent gerade erst vorbei. Vielen Dank, dass du dir etwas Zeit für mich genommen hast. Ich wünsche dir und deiner Familie eine schöne Adventszeit, einen guten Rutsch in das neue Jahr und bleib gesund.

 


 

Knuth ist Gründungsmitglied von SoSUE und unterstützt noch weitere Marken. Er selbst beschreibt seine Arbeit als „irgendwas mit Medien“. Der Hamburger würde am liebsten auf einen Berg mit Strand ziehen. Mehr über Knuth erfahrt ihr auf seiner Website Collideor and Scope.


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