Coronalogie Vol.2

 

Ein Jahr ist es nun her, dass viele tolle Frauen ihre Gedanken zu Papier brachten. Dieses Jahr hat viel mit uns gemacht, negativ als auch positiv. Deutschland befindet sich immer noch in einem Lockdown und es bedarf weiterhin viel Geduld und Zuversicht.

Ich habe noch einmal an meine Coronalogie App Gruppe geschrieben und wollte wissen, wie es meinen Freunden und Bekannten ergangen ist, was sie erlebt und gelernt haben und was sie vielelciht auch für immer verändern wird.  Viel Spaß beim Lesen!


 Kathrin Bierling: Journalistin, Bloggerin und Podcasterin

Auf Deine Corona-Frage: Ich traue es mich kaum zu sagen, aber die Wahrheit lautet: Für mich kam die Pandemie gerade recht. Schlimmer Gedanke, I know. Aber zu Beginn der Pandemie war ich schon schwanger und musste mich auf Events z.B. nicht dafür erklären, warum ich keinen Alkohol möchte. Auch meine Müdigkeit während der Schwangerschaft fiel niemandem auf, weil ich ja niemanden traf. Und später mit der Geburt und dem Neugeborenen kam uns die Pandemie auch gerade recht: Keine Besuche und dafür weniger Stress und mehr Zeit und Muße, sich auf den Kleinen und die neue Situation einzulassen. Und währenddessen musste ich nie Angst haben, etwas zu verpassen. Nur so langsam möchte ich auch mal wieder mit Freundinnen einen Espresso Martini in der Abendsonne trinken.


Tina Müller: CEO Douglas

Ein Jahr Corona, was bleibt, was geht, was kommt !
Habt Ihr auch das Gefühl, dass das Corona Jahr auf der einen Seite irre schnell vorbei ging und auf der anderen Seite sich unendlich zog? Ich nenne es das Jahr, in dem ich gelernt habe was Ambiguitätstoleranz ist. Leben und ein Unternehmen steuern mit  Paradoxen. Widersprüchlichkeiten, die man managen muss, denn es gibt nicht mehr die eine Wahrheit und den einen Weg, die eine Situation und die eine Meinung.
Corona hat das Käuferverhalten in der Beauty Branche dramatisch verändert. Online Käufe haben wir alle schon vorher getätigt, aber in den letzten 12 Monaten hat sich die Digitalisierung in einem Tempo entwickelt, dass auch die letzten Offline Zielgruppen nun Freude am Online Shopping haben. Ich bin froh, dass wir bereits vor mehr als drei Jahren unser E-Commerce Geschäft in das Zentrum unserer Strategie gestellt haben und es mit aller Macht und Energie ausgebaut haben. Ich mag mir gar nicht ausdenken, wo wir heute stehen würden nach über 4 Monaten geschlossene Stores in Deutschland, wenn wir nicht durch unser gutes Online Geschäft einiges kompensieren konnten. Es waren anstrengende 12 Monate mit ständiger Sorge, ob die Liquidität reicht und dem Frust, dass sich viele unserer Kundinnen langsam daran gewöhnen, ihre Gesichtscreme bei DM oder Budnikowsky zu kaufen. Jeden Monat haben wir gehofft, dass wir die Türen wieder aufmachen können, jeden Monat haben uns die Fallzahlen einen Strich durch die Rechnung gemacht. Gesundheit first! Als CEO ein Unternehmen durch diese Krise zu führen und zu digitalisieren heißt auch, schwierige Entscheidungen zu treffen, um die Zukunft des Gesamtunternehmens zu sichern.
Viele schlaflose Nächte und sich fragen, ob man auch die richtige Entscheidung trifft, denn es geht um Menschen. Was mir geholfen hat, waren all die Gespräche mit meinen Kollegen und Teams, Eigentümer und meinem Netzwerk, die mich weitergebracht haben.
Wie wird es nach Corona ? Ganz sicher nicht wie vorher, denn jede und jeder von uns hat sich hinterfragt und einiges aussortiert. Ständig im Flugzeug oder auf Konferenzen und Events?  Sicher nicht mehr. Raus aus dem Hamsterrad hat uns allen gut getan. Ich habe das Gefühl, die Zeit ist kostbarer geworden und man möchte sie mit Menschen und Dingen verbringen, die einem wirklich am Herzen liegen.

Wie werden wir einkaufen? Ich bin fest davon überzeugt in beiden Kanälen. Ja, es wird weniger Filialen geben, denn die Konsument*innen stimmen mit den Füßen bzw. mit den Fingern bzw. dem Click ab und das ist unumkehrbar. Aber der Store hat eine Einzigartigkeit, die ihn im Beauty Bereich unvergleichlich macht. Der persönliche, menschliche Kontakt vor Ort, das Zuhören, die Beratung und das Erleben von Marken und Produkten. Wie freue ich mich darauf, wieder spontan Düfte zu riechen, Herumzuschlendern und hier und da einen Lippenstift oder eine Foundation zu testen und all das zu entdecken, das ich vielleicht nie in die Suchfunktion im Onlineshop eingegeben hätte. Hoffentlich sehen wir uns bald am Jungfernstieg, am Mühlenkamp, im Pro Store, oder im Elbe Einkaufszentrum. Ich kann es kaum erwarten unsere Teams vor Ort zu sprechen und dann legen wir wieder richtig los. Let‘s do beautiful! 

 
Mit freundlichen Grüßen/Best regards

Tina Müller
 
 
Vanessa Gieser: Geschäftsführerin SoSUE 
 
 
Was für ein Jahr. Manchmal betrachte ich die Menschen mit ihren Atemschutzmasken an und erschrecke mich - wir haben tatsächlich und noch immer eine weltweite Pandemie. Der Start ins Corona-Jahr 2020 war verrückt. Wir hatten gerade erst unser Haus verkauft, wollten auswandern und dann kam der totale Lockdown. Zum Glück konnten wir übergangsweise für drei Monate in der Wohnung unserer besten Freunde unterkommen, bevor Spanien endlich wieder seine Grenzen öffnete. Wir lebten aus Koffern, da unser gesamter Hausstand schon nach Mallorca vorgefahren war. In dieser Zeit hatte war zum Glück meine Mutter da, die sich um meine Kinder gekümmert hat, sonst hätte ich nicht arbeiten können. Oft denke ich an die Mütter, die eine solche Unterstützung nicht haben. Mütter, die zwischen Job, Haushalt und Kinder jonglieren müssen, weil Kitas und Schulen geschlossen sind.

Meine Arbeit mit meiner Schwester und dem SoSUE Team hat mich in dieser Zeit aufgefangen, etwas Freude und Spaß am Tag, obwohl die Medien einen täglich mit katastrophalen Corona-Nachrichten überschüttet hatten und keiner wusste, wo die Reise hingeht. Ein Gefühl von Ohnmacht, das kaum zu ertragen war.

Wir sind so glücklich, während dieser herausfordernden Zeit auf einer schönen Insel leben zu dürfen. Die Kinder können jeden Tag draußen spielen, der Kindergarten ist geöffnet, mein Mann und ich arbeiteten im Homeoffice.

Mallorca war lange ein Risikogebiet, daher konnten wir unsere Familie und Freunde in Deutschland nicht besuchen. Alle hatten Angst, uns zu treffen. Geburtstage und Weihnachten mussten wir alleine feiern. Das war eine traurige Zeit für uns.Die Arbeitslosigkeit und der Hunger auf Mallorca sind erschreckend. Jede dritte spanische Familie lebt hier derzeit in Armut. Dafür sammeln meine Freunde, SoSUE und ich regelmäßig Spenden, um ein bisschen zu helfen.

Ich bin gespannt, wie sich die Lage dieses Jahr noch entwickeln wird. Ich wünsche mir von Herzen, dass wir alle bald zu einem normalen Alltag ohne Masken zurückkehren können.


Berit Grosswendt: Creative Consultant Room 26

Ich hatte auch gerade Grund zu großer Freude und konnte das Gefühl des Glücks, der Leichtigkeit und Dankbarkeit nur remote teilen. Gerne hätte ich mit meinen Freundinnen darauf angestoßen, dass ich zu denen gehören darf, die schon geimpft sind. Das Feiern ist erstmal auf Eis gelegt, wie überhaupt das ganze Thema zu erwähnen, denn jemand, der so alt / jung ist wie ich, muss sich so einiges anhören und gerät in schlimmste Erklärungsnot, sowohl bei Impfgegnern („Bist Du bescheuert?!“) als auch Neidern („Ach Du mit deiner Vorerkrankung!“). Hätte ich mir gerne erspart und wünsche solche Reaktionen keinem. Das zeigt uns aber leider, wo wir insgesamt nach einem Jahr Pandemie stehen: Unsicherheit, Angst, die Gesellschaft ist gespalten. Freundschaften und Meinungen driften in extreme Lager. Diskurse geraten in Schieflage. Frust und Unbehagen wächst. Wir fühlen uns müde. Leer. Emotional und kreativ ausgelaugt. Dabei sollten wir uns gegenseitig Mut zusprechen. Unterstützen. Riesig freuen über jeden weiteren Biontech-Pieks. Wer nicht weiß, wie es geht, einen kühlen Kopf zu bewahren, dem rate ich einen Blick auf diejenigen, die in dieser ganzen Sache null Lobby in der Politik haben: unsere Kinder! Die tapfer, leise und selbstverständlich mit der Situation umgehen und das ewige Homeschooling-Hin-und-Her, Lolli-Tests, stundenlanges Maskentragen, brummende Lüftungsanlagen im Klassenzimmer, Fenster auf und zu, Abstandhalten unter Freunden, Bildschirm-Glotzen, Bewegungsmangel und genervte Eltern ohne zu Murren und Aussicht auf Änderung ertragen. Meine jedenfalls. Und das gibt mir Hoffnung. Macht mich stolz und demütig. Bleibt gesund und an alle, die demnächst in der Impfreihenfolge dran sind: Es fühlt sich großartig an! :)


 Dr. Susanne Esche-Belke: Fachärztin, Gründerin von LESS-doctors for balance & Autorin

Liebe Sue, liebe Grüsse aus Berlin, ich hoffe Ihr hattet auch so entspannte Ostertage, wir haben das ruhige, sonnige Berlin richtig genossen, trotz allem. Alles Liebe nachträglich zum Geburtstag, nächstes Jahr rufe ich wieder an .-)) Kuss von Sanni 

Vor über einem Jahr habe ich mit meiner Kollegin und Freundin Suzann LESS doctors for balance, einen Gesundheitsblog für Frauen gegründet. Das permanente Bestreben nach dem irrsinnigen MEHR in allen Bereichen des Lebens schien nicht mehr einer erstrebenswerten Glücksformel zu entsprechen. Unsere Vision:  Mehr Menschlichkeit in der Medizin. mehr Lebensfreude und  Hormonbalance. Ausserdem zeigen wir Wege in die Eigenverantwortung auf, durch Weglassen dessen was uns Energie raubt und schwächt.
Dabei  kommt uns ein spannendes Buchprojekt  „dazwischen“.  Endlich die schon lange geplante Möglichkeit über Hormone zu schreiben und mit vielen Vorurteilen aufzuräumen, die uns Frauen schon zu lange verunsichern. Mitten im trubeligen Countdown zum Erscheinungstermin, vielen Reisen und Interviews: schlagartig: Less total!
Da war es-der Stillstand ohne Vorwarnung. Wie nun das meinen Patienten stets gepriesene, Verlangsamen akzeptieren? Das achtsame Innehalten? Die Selbstfürsorge? Haltung leben..…
Murrende Teenager deren Geburtstagssause zum 18 platzt, kein letzter Schultag mit Mottowoche, Abi? Die Vorbereitungen verlaufen schwierig. Alle im Homeoffice, der Sohn ohne Schutzkleidung im Rettungsdienstpraktikum. Ein kleines Halskratzen-ist es das schon? Die Eltern in Schweden, gelingt die Ausnahmestrategie, Reisen unmöglich.

Wie schlägt mein ärztliches Herz? Erster Impuls: auf zu den Freunden nach Italien, alle retten. Sinnvoll sein, alles richtig machen! Wer denkt jetzt schon an Hormone ? Unruhe und Chaos  in allen Bereichen obwohl nichts mehr geht.
Es dauert 3 Wochen bis ich mich finde. Die Dankbarkeit über die  Gesundheit unserer Lieben, unsere Wohnungen Berlin, in der jeder seinen Rückzugsort findet, das gemeinsame Kochen, Gespräche. Gemeinschaft im inneren Kreis. Die Arbeit.
Dann kommt sie doch, die oft ersehnte persönliche Verlangsamung. 

Hilfe leisten im Kleinen, die Praxen sind fast leer und es kann vieles online organisiert werden.  
Dann kurz vor Ostern die schon lang erwartete Rückmeldung der Coronaklinik, wir von LESS haben uns angemeldet.
Wenn es an der Zeit ist, gehe ich zu meinen Anfängen in die Rettungsstelle zurück, auch das beschäftigt mich, der Blick zurück. Wie war das alles? Die  Beziehungen, die Ambitionen , eine Reise in die Jugendjahre. 

Nun  machen wir weiter mit LESS, mit allen Gedanken der letzten Wochen. Menschlichkeit nicht nur in der Medizin, auch generell, wichtiger denn je. Für alles gibt es den passenden Moment in dem man weiß was zu tun ist. Ich versuche, noch mehr in der Gegenwart zu sein, die Zukunft im Blick und mich noch besser um meine Bedürfnisse zu kümmern. Nur wenn wir stabil sind können wir andere unterstützen.
Der Rest wird und muss sich finden, gemeinsam. Bleibt optimistisch, es lohnt sich.


 

Stephanie Hielscher: Freie Redakteurin & Regisseurin

Liebe Sue,

ein Jahr Pandemie. Es fühlt sich manchmal noch viel länger an. Ich finde es dann aber wieder erschreckend, dass die Zeit so schnell verging. Als alles begann, sind wir recht schnell zu meiner Familie in die Kleinstadt geflüchtet. So fühlte es sich wirklich an. Wie eine Flucht. Ich hab vorsichtshalber Sachen in den Koffer gepackt, die ich nicht brauchte, von denen ich mich aber nicht für eine unabsehbare Zeit trennen wollte. Am Ende waren wir doch nur vier Wochen weg.

Uns geht es nach wie vor gut. Wir sind gesund und haben ein gemütliches Zuhause. Wir haben keine Existenzängste und das enge Zusammenrücken hat keine Streits, sondern noch mehr Nähe, Verbindung und Verständnis füreinander gebracht.

Unser kleines Schulkind macht mir allerdings Sorge in dieser Situation. Nach gerade einmal fünf “normalen” Monaten nach der Einschulung, in denen er das Konzept Schule noch nicht wirklich verinnerlichen konnte, brach jegliche Ordnung zusammen. Die Orientierung fällt ihm schwer, denn er braucht ganz viel Struktur. Das Lernen macht ihm keinen Spaß. Zur Schule gehen, wenn es denn mal geht, fühlt sich für ihn optional an. Denn die Schulen sind mal auf mal zu - wie soll er da auch den Durchblick behalten? Zu vermitteln, dass Schule zum Tag gehört wie Zähneputzen ist nachvollziehbarer Weise extrem schwer bis unmöglich.

Mein Mann und ich teilen uns gut auf. Da wir glücklicherweise beide selbstständig sind, sind wir flexibel und ermöglichen dem anderen immer wichtige Termine wahrnehmen zu können. 

Meine Arbeit als freie Redakteurin und Regisseurin nimmt jetzt nach einem Jahr wieder Fahrt auf. Am Beginn der Durststrecke meiner Auftragslage habe ich endlich ein Projekt realisiert, das schon lange auf meiner Agenda stand. Ich habe einen Podcast gestartet. Nach drei Monaten Vorbereitung ging letztes Jahr im September die erste Folge online und ich habe gerade eben Folge Nummer 35 hochgeladen. Ich bin froh über die Zeit, die ich durch die Pandemie hatte, um über das Konzept final nachdenken zu können und alles an den Start zu bringen. Mit den wieder zunehmenden Aufträgen und dem Homeschooling zusammen ist das alles ziemlich viel und trotzdem kommen mir noch weitere Ideen wie ich aus mir selbst heraus Dinge realisieren kann ohne mich von externen Aufträgen abhängig zu machen.

In letzter Zeit habe ich mich manchmal bei einem Gedanken erwischt: “Ja, dann ist das jetzt halt so in dieser Zeit. Wir müssen eben noch kurz warten bis das vorbei ist und dann wird es besser.” Gleich darauf kam mir aber folgender Superklischee-Gedanke: “Nein, das Leben ist doch jetzt!”

Daran möchte ich arbeiten. Ich will nicht, dass die Ausnahmesituation normal wird, aber ich will, dass sie trotzdem sinnvoll und schön ist - und kein Stillstand. Und das können nur wir selber gestalten. Nicht abwarten, machen. Nicht Fünfe gerade sein lassen, sondern in die Vollen gehen.

Alles Liebe, Stephanie


 Soraya Kühne: CEO Paperlux Studio

Liebe Sue, ein Jahr schon?! Herrje. Die Zeit ist gerast. Und gleichzeitig geschlichen. 

Mein Optimismus ist sehr auf die Probe gestellt worden. Und wird es noch immer. Ich glaube und ahne, es kommen jetzt die wahren Ausläufer - insb. wirtschaftlich - auf uns zu. Mein Vertrauen, meine Geduld mit „denen da oben“ ist gen Null gesunken. 

Es soll verdammt noch mal geimpft werden. Immerhin ist Papa geimpft. Und es kommen immer mehr Menschen aus dem Umfeld dazu. 

Was ist passiert in dem Jahr? Wir haben eine Buchbinderei übernommen. Wir haben unsere Website gerelauncht. Wir haben die Neopren-Masken auf den Markt gebracht und mit FFP2-Pflicht wieder runtergefahren. Wir haben (und tun es noch immer) viel gekocht. Yoga habe ich noch immer nicht in den Tagesablauf integriert. Abhati Suisse, unser Herzensprojekt, kriegt jetzt auch ein Facelift, ist seit 2 Wochen bei Douglas erhältlich. Ich habe mich mit den Corona-Extra-Kilos abgefunden. Ich kann mich nicht mehr sehen - in meinem Bildschirm. ZoomTeamsSkypeSlack und Co. nerven. Ich möchte umarmen. Möchte spontan wegfahren. Möchte abends essen gehen und den Abend zur Nacht werden lassen.

Es gibt so viel mehr zu sagen, aber das, was bleibt: Ich bin dankbar. Ich packe mich immer wieder am Schopf und es geht weiter! Und bald, BALD (!) stossen wir mit einem Vino darauf an, dass der grösste Teil dieses Zustands besser geworden ist.

Ich drücke Dich, virtuell.


Constanze Kponton: Schmucklabel "Strawberry & Cream"

Hi, Ihr Lieben, 

Huch, schon ein Jahr ‘rum? Die größte Sorge habe ich tatsächlich um unsere jüngeren Kuds mit 16 und 18. Sollten sie in dem Alter doch meist mit ihren Jungs und Mädels  unterwegs sein, feiern, sich ausprobieren, sich verknallen, Spaß haben, ihre Grenzen kennenlernen, nicht nur zu Hause ‘erwachsen werden’. Ich hoffe, sie können es nachholen. 

Mein Mann und auch ich hatten - und dafür bin ich unendlich dankbar - so viel Arbeit, dass wir nicht großartig wegen der Gesamtsituation meckern konnten.  Ganz klar fehlen Freunde, Familie, Restaurant- Theaterbesuche und vor allem die Leichtigkeit, irgendwas zu unternehmen, zu planen, ohne sich Gedanken machen zu müssen. Es fehlen Austausch, Impressionen, Impulse. Es ist zäh, sich nur noch mit einem Drink to go mal zum Spaziergang zu treffen. Netflix ist gefühlt einmal durchgeschaut, einige Bücher gelesen. Dabei ist es schade, dass man die nicht mehr in meinem BookClub, den ich vor Corona gründete, mit meinen Freundinnen besprechen kann. Aber: unser Garten ist in Schuss, einige Möbel, Tapeten und Farben wurden erneuert. Mein Business rennt, Ich zog in ein neues, größeres Atelier.  Ich habe momentan eher das Problem, keine geeigneten Mitarbeiter für das Mehr an Aufträgen zu finden zu finden. Dabei hatte ich das Gefühl, wir hätten inzwischen einen ‘Arbeitgebermarkt’. 

Mit der Familie und Freunden ist man näher zusammengerückt. Man FaceTimed, um sich wenigstens zu sehen. Gleichzeitig trifft man immer häufiger auf sehr aggressive Menschen. Gestern zum Beispiel war ich Obst und Gemüse kaufen. Es dürfen nur 2 Personen gleichzeitig eintreten. Vorher stand ich sicher 20 Min in der Schlange. Und da es nicht nur Kartoffeln und Äpfel waren, brauchte die Verkäuferin eben etwas länger. Als ich heraus kam, wurde ich von einer Dame in der Schlange regelrecht angekeift, weshalb ich so viel kaufen würde und so lang brauchte, ich solle endlich abhauen.  What? Ich sagte ihr nur kurz, dass ich ebenso in der Schlange wartete und einkaufe, was ich brauche. Ich bat sie, sich zu beruhigen und das schöne Wetter zu genießen. auch Kunden dieser Sorte gibt es hin und wieder. Ich habe gelernt, Ihren Groll ganz schnell umzudrehen. Funktioniert es nicht, arbeite ich nicht für sie. Ich bin und bleibe Team positivity, good mood, Wertschätzung & Dankbarkeit.... Denn bei Allem, was uns gerade passiert, geht es uns dennoch gut. 

Habt einen tollen Sonntag ♡♡


Gianna Possehl: Entrepreneur, Business Coach

Ihr Lieben! Ein Jahr Big C....meine beiden kleineren Jungs (13 & 16) haben sich ins homeschooling eingegroovt und legen eine unfassbare Resilienz an den Tag. Sie nutzen die legalen Fenster und ab und an übernachtet ein Kumpel des Jüngsten, nachdem alle fully tested sind. Sohn 2 dreht mit einem Freund at a time draußen Runden oder sie sitzen hier auf dem Balkon und rauchen Shisha. Etwas, das ich vor einem Jahr unmöglich gefunden hätte. Ich finde Shisha rauchen echt doof. Jetzt sehe ich, wie gut es ihnen tut, den Balkon in etwas „Cooles“ zu verwandeln. No worries: ohne Tabak, dafür mit fiesen Plastik-Kirsch-Geruch, der ins Haus wabert. Es gibt Schlimmeres. Sohn 1 hat 2020 nicht das Studium begonnen und das war gut so. Wir haben eine Visionsentwicklung gemacht und seine ist glasklar. Der Weg dorthin ungewöhnlich, aber schon längst proaktiv und mit unfassbarer Disziplin beschritten. Zeitgemäß, smart und VUCA-fähig. Das macht mich froh. 

Meine Mutter und ihr Partner sind geimpft und können bald, nach der zweiten Impfung wieder freier werden. 

Unsere Klienten sind auf Remote geswitched. Das geht, das können wir. Ist aber nicht so wirksam, so nachhaltig, wie live. Wir zünden Zoom-Feuerwerke, aber es ist Überlastung und Erschöpfung bei den Führungskräften zu spüren. Wir adressieren dies, wo wir können, denken anders, denken neu. 

Ich spüre weniger. Weniger Freude definitiv. Die Spitzen sind gekappt. Auch Freude fühlt sich distanziert an. Ich wurde Anfang des Jahres gefragt einem Podcast beim BR/ARD zu hosten, was toll ist. Jobstories startete Ende März und ich finde es sehr erfüllend, meine Erfahrung aus 24 Jahren Business-Beratung und Top-Leadership-Coaching weitergeben zu können an vorwiegend Frauen, (Solopreneurinnen oder Angestellte, deren Unternehmen nicht in ein Coaching mit ihnen investieren können oder wollen).

Als der Podcast über Ostern in den Apple Charts durch die Decke ging war das natürlich ein Grund zu großer Freude. Doch ich konnte sie nur remote teilen....und sie blieb dumpf, die Spitzen gekappt. Wie gerne hätte ich Freundinnen im Restaurant davon erzählt, angestoßen, gespürt, gefeiert. Ich habe manchmal das Gefühl, ein dickes Plümo liegt auf mir. Ich bin froh, wenn es weg ist, wenn die Spitzen wieder da sind, egal ob hoch oder tief. Ich freue mich auf die volle Bandbreite der Emotionen. Wenn der „Play“ Knopf wieder gedrückt werden kann, wird vieles anders sein. Ich mag anders. Ich mag Change. Aber ich mag es halt auch intensiv und ich mag gestalten. Darauf freue ich mich. Riesig!

Liebe Sue, danke, dass du nachgefragt hast. Ich halte das Dumpfe aus, es ist ok, aber ich scharre mit den Hufen, zerre an der Leine, bin weiter überzeugt, dass die Einschränkungen helfen und übe mich in Geduld, bis ich wieder raus kann, ohne Einschränkungen, Abwägungen und voller Energie.

Zum Glück hatten wir bisher keine enge Berührung mit COVID-19. Allen, bei denen es anders war, deren Lieben erkrankt oder verstorben sind: ich denke an euch. Ich wünsche euch Kraft und Zuversicht und Trost. Und bin ganz schnell wieder grade gerückt, denn mein „hey, ich kann mich grade nicht so dolle freuen“ wird zu einer Mücke. Bleibt gesund. 

Liebe Grüße, eure Gianna


Bianca Lang - Bognár: Chefredakteurin S-Magazin & Mitbegründerin brookmedia

Liebe Sue, ein Update ist eine schöne Idee. Ich lege mal offen und ehrlich vor:  mir geht es gut, ich darf mich nicht beschweren. Job läuft, Kids are allright. Aber unter der Oberfläche sind die Nerven wund geworden. Gestern habe ich eine Tür so geknallt, dass ich vor mir selbst erschrak. Warum, weiß ich selbst nicht mehr so genau. Ich arbeite seit Monaten im Homeoffice, vor allem um die Kinder flexibel versorgen zu können. Koche x-mal am Tag- natürlich frisch- weil jedes Kind zu anderen Zeiten Unterricht und Pausen hat. Wir sind teilweise nach Niedersachsen gefahren, weil dort noch Tennistraining für die Kleinen stattfinden konnte. Ich habe Besuche erlaubt und bin das Risiko eingegangen, damit wir alle nicht sozial verhungern. Hat sich alles gelohnt. Allerdings habe ich meine Großmutter nicht länger schützen können, ein Jahr haben wir sie abgeschottet, dann infizierte sie sich im Krankenhaus mit Corona. Ich habe am Sterbebett gesessen. Eine Woche bei ihr auf der Isolierstation. Nebenbei ein Heft produziert. Habe seit Jahren wieder gebetet. Es ist ein elender Tod! Danach zwei Wochen Quarantäne - macht kaum einen Unterschied mehr zum normalen Leben.  Um mich herum sind die ersten Freunde und Verwandten geimpft. Wir sind gesund. Der Frühling kommt. Und heute Abend werde ich trotz Ausgangssperre mit einer Freundin Wein trinken. Frisch getestet natürlich. Und anschließend zu einer meinen neuen spätabendlichen Fahrradtouren aufbrechen.  

Haltet durch! Eure Bianca

Sue Giers: Founder von SoSUE

Liebe Bianca, Gänsehaut und mein tiefes Mitgefühl für den Verlust deiner Omi. 

Es ist erstaunlich, was der Mensch alles aushält, berührend und gleichzeitig erschreckend, wie schnell sich unsere Kinder an diesen Zustand gewöhnt haben. Ansonsten geht es mir ähnlich wie Dir und bin nur noch „mütend“ und bin im Coronacoaster: Mal himmelhoch jauchzend zu Tode betrübt. In Deutschland muss es ja immer der Superlativ sein. Im ersten Lockdown liegen wir strebermässig vorne und jetzt fühlen wir uns mit den Impfmaßnahmen als Versager, gefolgt von „Impfneid“ und „Urlaubs-sprich Mallorca-Shaming“ - Meike Winnemuth schreibt zu Recht in ihrer Stern-Kolumne: „Die Welt ist nicht schwarz oder weiß. So vieles liegt dazwischen und findet öffentlich nur wenig Beachtung.“ ich teile ihre Meinung und bin es leid, in immer neue emotionale Extremlagen oder Lager geschubst zu werden. 

Ich kompensiere mit Arbeit und dem Austausch mit meiner Community auf Insta. Das ist mein „sicheres“ soziales Fenster nach Außen, ersetzt aber natürlich nicht gefühlsechte Begegnungen nebst Körperkontakt. Ich habe 3x COVID im Haus gehabt und so viele Quarantänen hinter mir, dass ich den  Unterschied zum Lockdown oder Ausgangssperre kaum noch spüre. My home is my castle. Ich glaube, ich war noch nie so sesshaft in meinem Leben. Ich tendiere dazu mich zu überfordern und die Tatsache, das mich der Virus in den eigenen 4 Wänden verschont hat, macht mich manchmal übermütig - bzw. fearless. Ich fühle mich, wie in Drachenblut gebadet und nur ein Lindenblatt hat sich gerade auf meine linke Schulter gelegt. Diagnose: Frozen Shoulder. Sehr schmerzhaft und langwierig. Also kein COVID -  aber dafür Alter :D

Ansonsten trage ich nach einem Jahr intensivstem SoMe beim Tippen eine Brille, kann jetzt mehr als 5 Gerichte kochen und beherrsche die Kunst der Styling-Tutorials, Reels und Live-Shoppings. Netflix habe ich leergeschaut und bin mittlerweile wieder bei den Filmklassikern angelangt. Auch alte Heimatfilme ziehe ich für mein Gemüt in Erwägung. 

Bleibt alle weiterhin gesund - die Impfung ist nah und wie heißt es doch so schön: Die Hoffnung stirbt zu Allerletzt!


 Kera Till: Künstlerin und Illustratorin


 Susie von den Stemmen: Journalistin

Guten Morgen. Lieb dass du fragst! Mein Job als Journalistin hat in Puncto Reisen und Aufträgen sehr gelitten. Trotzdem habe ich es auch genossen Zuhause zu sein und es positiv zu sehen. Nie war es hier ordentlicher. Wir haben einen zweiten Hund adoptiert. Ernährung wurde umgestellt, viele Bücher gelesen und Serien geschaut. Die Prioritäten werden anders, was mir extrem gut tut. 

Treffen auf dem Markt ist so ein schönes Ritual geworden. Sue, nächste Woche dort treffen?

Im Job läuft seit Januar alles wieder sehr gut und ich bin dankbar! Passt auf euch auf!


Sabine Enders: CEO von One Day Baby

Niemals hätte ich es vor einem Jahr für möglich gehalten, dass es so lange dauern würde! Letztes Jahr um diese Zeit war ich dankbar und froh in Deutschland zu leben und ich bin einfach davon ausgegangen, dass alles weitestgehend richtig läuft und die Pandemie bald vorbei sein würde. Spätestens im Sommer letzten Jahres - als das Leben wieder relativ normal und die Infektionszahlen niedrig waren - konnte ich mir überhaupt nicht vorstellen, was alles auszuhalten sein und wie zäh sich das anfühlen würde.

Ich bin so unglaublich erschöpft und müde. Leider nicht so, wie nach dem Sport oder einer anstrengenden Bergtour, sondern einfach nur so, dass es weh tut – der Nacken, die Schultern, der Kopf. 

Ich mache mir große und viele Sorgen.

Um meine Eltern glücklicherweise nun nicht mehr, denn die beiden sind seit letzter Woche endlich geimpft. Aber sonst wirklich um so ziemlich alles, was man sich vorstellen kann. Das kenne ich so nicht von mir. Es gibt auch keinen konkreten Grund oder Anlass, niemand aus der Familie ist krank und die wenigen infizierten Freunde sind alle glücklicherweise wieder gesund und keiner hatte einen schlimmen Verlauf. Meine Sorge ist eher diffus, dafür aber manchmal so stark und heftig, dass sie mir wie ein schwerer Stein auf der Brust liegt.

Ende 2019 habe ich mein Label Onedaybaby gegründet und im März letzten Jahres fühlte es sich an, als würde mir jemand den Boden unter den Füßen wegziehen. Es gibt noch immer wirklich dunkle Tage, aber es findet sich auch alles. Es ist hart und anstrengend, aber wir machen kleine Schritte und Onedaybaby wächst – das ist so viel mehr, als andere Unternehmer zurzeit erleben und ertragen müssen. 

Am stärksten ausgeprägt ist die Sorge um meine drei Kinder: wie es ihnen geht, wie sie sich fühlen, wie sie zurechtkommen in dieser Ausnahmesituation und wie es danach sein wird. Meine Tochter schreibt gerade Abiturklausuren. Letztes Jahr war sie noch happy darüber, dass es für sie erst 2021 soweit ist. Natürlich ist auch sie davon ausgegangen, dass es in diesem Jahr wieder einen Abiball, eine festliche Verabschiedung, jede Menge Partys und natürlich auch den unbeschwerten und freien Sommer danach geben würde – tja. Es ist allerdings definitiv so, dass wir auch wirklich viele gute Familien-Momente zu fünft im vergangenen Jahr hatten. Trotz Stress, Druck und Streit, gab es wunderbar wilde Debatten am großen Tisch während des Essens, gute und katastrophale Spieleabende, gemeinsame Alsterrunden (man glaubt es kaum..), wir haben oft gelacht und ja, wir haben sogar Bananenbrot gebacken.

Ich verlebte grandiose Abende mit meiner Schwester, sehr innige zweisame Wochenenden mit meiner besten Freundin in Berlin und hatte immer wieder besondere und aufbauende Gespräche mit für mich wichtigen Menschen. Ich habe (trotz oder wegen Corona?) im letzten Jahr tolle Hamburger Unternehmerinnen kennengelernt - ein paar davon sind zu Freundinnen geworden. 

So viel Verständnis, Support unterschiedlichster Natur, Zuwendung, Zuhören und mentale Unterstützung von ganz verschiedenen und auch unerwarteten Seiten, haben mir über das Jahr und die dunklen Momente geholfen. Dafür bin ich aus tiefstem Herzen dankbar! Ich wünsche mir - neben einer baldigen Impfung für mich und meine Liebsten - für meine Zukunft, dass diese positiven Gefühle und Erinnerungen an die Corona-Zeit in meinem Kopf bleiben mögen und, dass alles Dunkle - die Sorgen, Erschöpfung und Müdigkeit langsam aus dem Gedächtnis verschwinden werden.


Kimberly Emerson: Human Right Watch

Here you go, my friend:

I remember writing last year that what I missed was sitting down with close friends at a restaurant over a glass of wine and sharing about our lives.  Between LA and Berlin, there have been some periods of opening over the past year where we were able to do that outside under summer twilight or next to heaters. What a salve those moments were in a year of intimacy deprivation.... but then they were gone again, dissolved into a cloud of rising COVID numbers.  Over this past year there have been many silver linings however. In order of importance to me: Joe Biden’s win in the 2020 Presidential election. This would not have happened without Donald Trump’s denial, dismissal and disastrous mishandling of the pandemic leading to over 500,000 lost American lives. President Biden has quickly established himself as a great leader who has attacked the pandemic as if in a war. And it’s not just about his strong and urgent handling of the pandemic, it’s about his actions on racial justice, how he is urgently addressing the climate crisis, and the way he is pursuing a stable, democratic-leaning foreign policy. Next, quarantine and isolation gave me the opportunity to spend invaluable family time with my husband and children, cooking together, doing sports, watching movies, working on jigsaw puzzles and having deep conversations. It also allowed me the time to finish the first draft of my memoir about our four years in Germany when John was US Ambassador.  Finally, it instilled in me a deep appreciation of our frontline workers who have risked their own health and safety, and worked to complete exhaustion during the crisis.  

Best always,
Kimberly


Alexandra von Rehlingen: Schoeller von Rehlingen PR

Lieb dass du fragst!

Der Mensch gewöhnt sich an alles und die vielen Zoom Meetings haben  ihre Vorteile - man networked schnell und effizient ohne zu reisen;) Aber es wäre nicht schlecht, wenn es auch mal wieder persönlicher ginge sonst eigentlich alles okay liebste Grüße wie geht’s euch??‍♀️

Ach ja und ich bin jetzt nach 25 Jahren vom veggie zum vegan geworden...


Petra Reski: Autorin & Journalistin und lebt in Venedig

Leider hat sich für uns in Venedig nach der Coronakrise nichts verändert, jedenfalls nichts Positives. Viele Hotels und Restaurants sind in dem Coronajahr bankrott gegangen - und viele wurden auch im großen Stil von der Mafia aufgekauft. Der Bürgermeister hat nichts aus der Krise gelernt, er hat lediglich darauf gesetzt, dass es möglichst bald wieder genauso weitergehen soll, wie vorher. Und genau das zeichnet sich jetzt ab: Schon wird Venedig wieder überrannt und die Kreuzfahrtschiffe fahren wieder am Markusplatz vorbei. Nichts dazu gelernt, im Gegenteil. Wir befürchten, dass es bald schlimmer wird als vor der Krise, weil uns jetzt auch noch das Phänomen des „Revenge-Travel“ droht: das „Rachereisen“, aso entgangene Reiseerlebnisse möglichst bald nachzuholen. Das würde noch mehr Tagestourismus bedeuten, der für Venedig zerstörerischsten Form des Tourismus. 


 

Sabine Spieler: Modejournalistin und Trendexpertin

Über ein Jahr leben wir inzwischen mit Covid-19, und es wäre gelogen zu sagen, dass es mir gut geht. Wie gefühlt alle anderen habe auch ich die Nase voll, die letzten Monate waren wie eine Endlos-Schleife ohne Aussicht auf Besserung. Doch jetzt, wo so viel geimpft wird, habe ich die Hoffnung, dass wir in ein paar Wochen wieder etwas mehr Normalität bekommen werden. Das ist auch gut so, denn ich stelle bei mir inzwischen auch merkwürdige Reaktionen fest, die ich eigentlich nicht mag….als letzte Woche eine meiner besten Freundinnen am Telefon sagte, sie hätten ja ab heute dann auch die Ausgangssperre in Frankfurt, habe ich recht bissig reagiert nach dem Motto: was stellst Du Dich so an, wir in München haben gefühlt den ganzen Lockdown die härteren Rahmenbedingungen…Im Nachhinein habe ich mich dafür geschämt. Aber ich denke, die Pandemie macht mit jedem von uns etwas, und manchmal verhält man sich dann eben auch nicht korrekt. Ich weiß, dass ich mit einer schönen Altbauwohnung mit Mann und Sohn sehr privilegiert wohne. Mein Mann geht jeden Tag ins Büro, und mein Sohn (17) und ich haben eine gute Corona-WG entwickelt. Neulich habe ich zu einer Freundin gesagt, dass das vielleicht das Gute an Corona war, dass ich Zeit mit ihm geschenkt bekommen habe. Dass ich irgendwann mal sagen werde, dank Covid-19 haben wir eine sehr intensive Zeit miteinander verbracht. Obwohl ich inständig hoffe, dass er im Sommer endlich wieder Party machen kann. Ich finde, gerade die Jugendlichen, die noch Zuhause leben, trifft die Pandemie besonders schwer. Ende März waren wir für ein Wochenende bei Freunden in Frankfurt. Auf dem Rückweg haben wir unisono festgestellt, wie gut das getan hat, mal wieder rauszukommen und Zeit mit Freunden zu verbringen. Wenn man mich fragt, was ich aus der Pandemie gelernt habe, kann ich ganz klar sagen, dass ich gemerkt habe, dass es die kleinen Dinge des Lebens sind, die mir wirklich wichtig sind. Nämlich meine „Herzens-Menschen“ zu treffen wann und wo ich möchte. Mit einer Freundin im Café über Gott und die Welt zu quatschen, ein Abendessen mit Freunden in großer Runde, meine Tochter in Frankreich zu besuchen ohne Regularien, in einem Workshop mit Kunden zu diskutieren, das sind die Dinge, die mir fehlen, und da freue ich mich schon jetzt, wenn das alles wieder geht. 


 Juliane Rohr: Autorin

Abgesagt, verschoben, geöffnet und zack wieder zu. Dieses Hin und Her schiebt sich weiter durch unser Leben. Will nicht enden. Der Gemütszustand nach 14 Monaten Pandemie ist mit „mütend“ perfekt beschrieben. Mütend, das ist irgendeine Mutante zwischen müde und wütend. Ein Dank an die SZ, wo das Wort zuerst auftauchte. Covid-19 hat uns viele neue Wörter beschert, grob geschätzt an die 1400 Begriffe und es werden täglich mehr: Social Distancing, R-Wert, Impfneid, Brücken-Lockdown oder vinolieren. Letzteres meint einen Wein zu trinken und dabei zu telefonieren. Ja, es gibt auch charmante Wort-Kompositionen.

Weniger charmant hingegen, der an den Nerven und am wirtschaftlichen Überleben vieler nagende Dauer-Lockdown: Dazu gibt es ein treffendes Zitat von Julius von Bismarck, ein Künstler, der an der Schnittstelle zwischen Kunst, Technologie und Wissenschaft arbeitet: „Der zweite Lockdown macht mir mehr zu schaffen, als der erste, weil zusehends alles erstarrt und die Inspirationsquellen versiegen. Beim ersten Lockdown konnte ich noch etwas aufregendes an der Katastrophe finden.“ 

Throwback: Was war es herrlich, als im März 2020 meine beiden großen Söhne wieder einzogen. Leben im Haus, gemeinsame Joggingrunden um den Schlachtensee, eine Wildblumenwiese wurde im Garten angelegt, die sprießt jetzt wieder... Solidarität mit Pflegepersonal, Verkäufern und anderen Menschen, die ihre Kontakte nur schwer reduzieren konnten, fiel uns ohne Zwänge von außen leicht. Ganz ehrlich? Was war ich froh, als die beiden im November zu Beginn des Lockdowns 2.0 dann doch in ihren Studenten-WGs blieben. Arbeit und Leben läuft entspannter im eigenen Rhythmus. Mein Respekt an alle, die neben Homeschooling und Homeoffice auch den Haushalt schmeißen müssen. Geblieben sind die Diskussionen – die gehen am Telefon weiter. Immer noch wollen wir das Virus, die Auswirkungen auf Gesundheit und Gesellschaft verstehen.

Apropos Diskussionen: Ich steige nicht mehr in jeden Schlagabtausch ein. Nach über 400 Tagen mit Corona weiß ich, wer welche Einstellung zu C. und den sensiblen Thematiken drum herum hat. Dennoch kochen die Emotionen immer wieder hoch und über. Weniger Empören und mehr hinhören, das habe ich mir fest vorgenommen. Denn, auch das ist so ein Corona-Ding: jede will nur noch ihre Geschichte und Meinung loswerden. Weniger ich, mehr Du und einfach mal das eigene Urteil zurückhalten – „think twice“, sagt der Sponti aus den 80ern in mir. Das würde ich mir derzeit bei so mancher Debatte im gesellschaftlichen Diskurs ebenfalls wünschen. Zu schnell wird eine Diskussion inzwischen diffamierend. Schwarz oder weiß und kein Platz für Grau-Schattierungen. Das bringt unsere Demokratie ins Wanken. Aber das ist ein anderes Thema und sicher diskussionswürdig...

Seit November übe ich mich in der Kunst des Gehens, wie so viele. Die Entdeckung der Langsamkeit. Tägliche Spaziergeh-Routine mit Suchtpotential. Zeit für mich mit Kunst- Podcasts oder guten Gedankenschleifen, so verlasse ich den mütend-Modus. Das ewige Auf und Ab der Corona-Achterbahn blende ich gehend aus. Jetzt ist Frühling, der Löwenzahn blüht gelb – der Sommer kommt und ich denke an ein Zitat vom britischen Künstler David Shrigley „News: It won‘t be like this forever.“

Juliane Rohr


Michaela Gerganoff, Kommunikationsprofi und Networkerin

Liebe Sue,

bei mir ist im letzten Jahr wirklich viel passiert. Ich habe den Lauf der Dinge vor kurzem in diesem Text zusammengefasst:
Gestern saß ich an der Überarbeitung meines Lebenslaufs. Da steht jetzt an oberster Stelle unter dem Punkt Berufserfahrung: "10/20 bis heute: Umzug und Neu-Orientierung". Das ist in Wahrheit nicht nur die falsche Reihenfolge, sondern müsste auch noch ergänzt werden. Richtiger wäre eigentlich: Neu-Orientierung, Umzug und Neu-Orientierung. Was diese Worte sehr nüchtern verbergen, sind Ereignisse und Prozesse, die mein Sein in Wahrheit über Wochen – nein Monate! – auf den Kopf gestellt, durchgeschüttelt und einmal komplett umgestülpt haben. Und, ja, das ist ongoing.


1. Neu-Orientierung

Eigentlich war bislang alles ein rundes Ding:
Nach Abi und Studienbeginn in München zog es mich in die weite Welt und so wurde aus einem geplanten 6-Wochen-Giro durch Venezuela ein Aufenthalt von zweieinhalb Jahre im Ausland. Nach der Fortsetzung des Studiums in Caracas landete ich in New York, wo ich bei der Auslandsrepräsentantin zweier Verlage erstmals redaktionelle Luft schnupperte. Das war genau die aufregende Mischung aus Handwerk, Kreativität und Networking, die perfekt zu mir passte! Mit einem neu geformten Berufswunsch ging’s direkt nach Hamburg zum Volontariat bei der Verlagsgruppe Milchstrasse.

Der Rest ist Hamburger Geschichte. Und zwar eine lange Story von 30 (!) Jahren, mit privaten Kapiteln als dreifache Mutter (24/22/13), zum guten Teil alleinerziehend. Mit beruflichen Parts als Redakteurin und Ressortleiterin, als Co-Gründerin und Co-Partnerin der Lifestyle-Content-Agentur Parola Media. Mit persönlichen Chaptern, in denen ich lernen musste, dass es keine Sicherheiten gibt, aber auch, dass das Leben trotzdem immer irgendwie weitergeht. Im Herbst 2020 entfiel dann plötzlich coronabedingt mein Job als Director Corporate Communications einer internationalen Agentur-Netzwerks. Das fühlte sich an, als hätte jemand mit einem Hammer draufgehauen. Aber wenige Wochen später nahm mein Privatleben – verrückterweise wieder coronabedingt – eine ungeahnte Wende. Und ich nahm meinen ganzen Mut zusammen, nahm Abschied, rund 160 Umzugskartons und verließ den Ort, an dem ich mein gesamtes Erwachsenenleben verbracht hatte.

2. Umzug

Seit fünf Wochen nun leben mein jüngster Sohn Henri und ich in Weßling. Wer das nicht kennen sollte – und das sind einige: Es ist ein beschauliches Dorf im Fünfseen-Land, vor den Toren von München. Alles paletti? Natürlich nicht. Denn die Verantwortung meiner Entscheidung ist weitreichend, da sie nicht nur mich betrifft. Ein Umzug zu Corona-Zeiten ist insbesondere für einen superaktiven Teenager, der vorher stundenlang auf Inlinern und Fahrrad mit Freunden durch das Neubaugebiet tobte, die Hölle: Henri war vor den Osterferien fünfmal in der neuen Schule (seither online) und hatte noch keine Gelegenheit, Klassenkameraden kennenzulernen. Vielleicht darf er diese Woche endlich mal beim neuen Fußball-Verein aufs Feld. Denn sonst sitzt er nur in seinem neuen Zimmer und hat konstant Heimweh. Ihm ist es egal, ob man im Paradies lebt oder nicht. Das wird noch ein etwas längerer Weg.

3. Neu-Orientierung

Neben dieser persönlichen Herausforderung als Mutter gilt es nun, das nächste berufliche Kapitel zu formen. Was kommt? Ich bin offen und freue mich darauf, es zu gestalten. Und ja, wer was weiß – nur zu! Mein CV ist fertig.


Steffi Wilke: Autorin

Heimvorteil

Die Pandemie hat meinen Serienkonsum verdreifacht. Talkrunden habe ich vor dem Einstellen meiner Sozialkontakte vor 13 Monaten eher gemieden – jetzt bin ich regelmäßiger Gast. Zum Teil spreche ich die Antworten mancher Politiker schon im voraus. Ich kann Helge Braun total gut vorhersagen, das Repertoire von Peter Altmaier liegt mir förmlich auf der Zunge, ein großer Spaß. Netflix und diverse Talkrunden sind also zu meiner sozialen Bezugsgruppe geworden. Als Single streite ich mit niemandem um die Auswahl des Programms, ein klarer Heimvorteil. Dabei habe ich mich tatsächlich ein wenig verguckt, und zwar gleich zweimal. Kandidat eins ist Benedict Cumberbatch – als Sherlock hat er mir so dermaßen gut gefallen dass ich alle Staffeln zweimal hintereinander gesehen habe. Wenn Benedict den Kragen seines umwerfenden Mantels hochschlägt, um aus der Baker Street zu eilen, überwältigen mich romantische Gefühle. Kandidat zwei hat tatsächlich Parallelen mit Sherlock, auch wenn die sich auf den ersten Blick nur für Kennerinnen offenbaren. Mein Guckschatz Nummer zwei wäre für mich in realistischer Reichweite, also habe ich mich entschlossen, nicht weiter von London zu träumen.

In Berlin tut Karl Lauterbach unermüdlich seinen Dienst an der Menschheit. Sherlock klärt unlösbare Fälle auf, Karl klärt eine beratungsresistente Gesellschaft auf. Ich bewundere ihn sehr dafür, seine Stringenz auf der Faktenlage zu diskutieren und dabei noch den Humor zu bewahren. Ich muss zugeben, dass ich mittlerweile die Talkshows nach seiner Anwesenheit filtere, und da er ein engagierter Mediziner und Politiker ist, habe ich häufig das Vergnügen ihn zu sehen. In meinem stillen Kämmerlein kommentiere ich seine Hemdenwahl und freue mich, wenn er gelungene Farbkombinationen trägt. Manchmal liegt sein feines Haar am Hinterkopf wie ein kleines Nest und ich stelle mir vor, wie er auf dem Weg ins Fernsehstudio im Zug ein Nickerchen gemacht hat. Sein Durchhaltevermögen sowie die Unerschütterlichkeit seiner Wesenszüge teilt er mit Sherlock. Karl ist mein superschlauer Serienheld der Pandemiebekämpfung!

Sobald ich im Sommer geimpft bin werde ich Karl eine Mail schreiben, um ihn zu fragen, ob er Lust hat mit mir eine Saftschorle trinken zu gehen. Open Air, versteht sich. Möglicherweise werde ich also, frisch immunisiert, meine stark dezimierten Flirt-Viren mobilisieren, meinen Mantelkragen hochschlagen, um einen der schlausten Männer Berlins zu treffen. Voraus gesetzt Markus Lanz gibt im frei.


 

 Wow...so viele verschiedene Geschichten in dieser schwierigen Zeit, die jeder von uns anders erlebt. Ich bedanke mich bei all den tollen Frauen die ihre Gedanken mit uns geteilt haben und wünsche euch nur das Beste! Bleibt alle gesund und bis hoffentlich ganz bald! 

 Eure Sue


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